Frauenleben.
Blätter zur Vertretung der Frauen-Interessen.
Mit Beiblatt „RefokM"
für Sport. Hygiene und Uerdefsernng der Franen-Kleidung.
Officielles Organ des Oesterreichischen Hilssvereines für Beamtinnen in Wien, des Deutschen Vereines zur Förderung des Wohles und -er Bildung der Frauen in Prag und des Gabelsberger Damen-Stenographen-Vereines in Wien.
IX. Jahrgang. Wien. den 1. Mai 1897. Prag. Nr. 2.
Erscheint NI» 1. eine« jeden Monates. Preis des Jahrganges:
2 Gulden; Einzelne Nummern 2» Kreuzer.
Zuschriften sind zu richten an die Redaction, Wien, IV., Karlsgasse 1S. „Frauenlebcn" ist durch alle Buchhandlungen zu beziehen.
Herausgegeben von
Helene Littmann.
Hauptauslieferungsstelle für den Buchhandel M. Perles,
I., Scilergasse Nr. 4.
Inserat« werden sowohl von der Ädminlstratio» wie von säniint lichen Annoncen-Expeditionen angenommen. Check-Conto SOi.SSV.
Inhalt: I.»dor vmni» viucit. — Frauenweike bildender Kunst. — Aerztinnen. Historische Plauderei von Dr. Steinplinger. (Schluß ) — Bereins-Nachrichlen. — Gedichte von Helene Migerka — Was wir errei l t. — Knospen. Skizzen aus der Volksschule. Von H. Ludwig.
Nachdruck verboten.
t-Lbon omnia vinoil.*)
Der vergangene Monat brachte zwei für die Entwickelungsgeschichte der österreichischen Frauenbewegung höchst bedeutsame Momente: Die erste Promotion einer Dame an der Wiener Hochschule und den Erlaß des Unterrichtsministers, worin die allerdings bedingte Zulassung staatsangehöriger Mädchen an Gymnasien, zum Zwecke der Erwerbung eines Reifezeugnisses, die Nostrification ihrer an einer medicinischen Facultät des Aus- landes erworbenen Diplome und der Zugang zu den philosophischen Faculläten eröffnet wird.
Im Vordergründe des Interesses stand natürlich die Gestalt jener Frau, die mit bewunderungswürdiger Ausdauer und Energie einen Sieg errungen, der als ein Sieg des Principes nicht nur Einzelnen, sondern der gesammten, nach Erweiterung ihrer Rechie strebenden Frauenwelt zu Gute kommen wird. Was vor 48 Jahren — 1849 — in Amerika gelang, ohne besondere Schwierigkeiten und dementiprcchendes Aufsehen zu verursachen: Die Creiruug des ersten weiblichen Arztes, das vermochte Baronesse Possaner, welche ihre Gymnasialstudien privatim in Wien absolvirt hatte und am 15. December 1887 im Wiener akademischen Gymnasium durch Able- gung der Maturitätsprüfung erfolgreich beschloß, um in Zürich das Doctorat der Medicin zu erlangen, erst nach Wiederholung sämmtlicher Rigorosen an der hiesigen Universität uno nach Ueberwindung vielfacher, ernster Hindernisse in ihrem 38. Lebensjahre voll und ganz zu erringen.
*) „Unablässige Arbeit besiegt Alles."
Du. GkEnirle Vsnonin -Polfarmen.
Wenn wir die Culturfortschritte der neuen Welt mit der der alten vergleichen, so drängen sich uns Ergebnisse auf, welche vielleicht unglaubhaft erscheinen würden, spräche nicht die Statistik das entscheidende Wort, ein durch Zahlen bestätigtes „irr rasälas r«8."
In Nordamerika ließ das „Oberlin-College" bereits 1833 weibliche Hörer zu. Etwa 50 Jahre nachher wies Amerika schon 226 Frauencollegien und 263 gemischte Kollegien auf. Heute berechnet man daselbst die Zahl der studierten Frauen auf 60 000, die der Siu- direnden auf 65.000.
Indien erschloß der weiblichen Jugend seine Hochschulen 1875, Australien 1878. Unter den europäischen Ländern stand Frankreich in der That an der Spitze der Civilisation, indem die Universität von Lyon 1861 bereits einer Dame den Doctorgrad ertheilte. Acht Jahre später wiederholte sich der gleiche Fall; seitdem wächst natürlich die Zahl der fcanzösiichcnStudentinnen in rascher Progression.
Die Schweiz steht seit mehr als einem Menschenaltcr den studierenden Frauen offen. In England haben zwischen 1877 u. 1895 von Studentinnen der „Iionäon Lolrool okNsäioirrs torVi7 orasn" und des „liozia,! trss Hospital 183 das medicinische Staatsexamen bestanden, im Ganzen 260 weibliche Studierende. Seit 1878 werden dort die Frauen zu allen Prüfungen und Gradertheilungen zugelassen. Schweden ging mit gutem Beispiele schon im Jahre 1870 voran, ihm folgten 1875 Dänemark, Finnland und Holland, 1876 Belgien und Italien, 1884 Norwegen, 1886 Island, 1895 erst Ungarn.