EISENGIESSEREI J. KUDLICZ

WALZENFABRIK UND APPRETUR, ETABLISSEMENT FÜR PATENTFEUERUNGEN

PRAG-BUBNA.

u den hervorragendsten und interessantesten Industrien der an technischen Errungenschaften so reichen Gegenwart gehört die Metallbearbeitung in allen ihren Formen. Vor kurzer Zeit noch vielfach auf dem Boden der abstracten Theorie sich bewegend, ist sie nunmehr in hohem Grade in den Bereich der Praxis gezogen worden und macht sich alle jene Entdeckungen und Versuche zu Nutzen, welche die ersten Chemiker und Physiker über die Zusammensetzung der Metalle

gemacht haben.

Jede Analyse der chemischen und physikalischen Laboratorien und Institute ist für den praktisch-indu­striellen Betrieb verwerthet worden und hat oft zu unmittelbaren Verbesserungen im Gebiete der productiven Arbeit beigetragen. Besonders haben sich die Eisengiesserei und der Maschinenbau directe Vortheile aus den Arbeiten der Gelehrten geholt, und speciell in diesen Industriezweigen ist der Fortschritt, den die letzten Jahr­zehnte gebracht haben, ein geradezu erstaunlicher.

Unter den Ländern, die sich mit der Eisen-Industrie und den verwandten Zweigen beschäftigen, ragt das gewerbfleissige Böhmen hervor. Unterstützt durch verschiedene günstige Verhältnisse, den Kohlen- und Metall­reichthum des Landes und den sonstigen hohen Stand der grossindustriellen Thätigkeit, hat es in den letzten Jahrzehnten einen riesigen Aufschwung in der obgenannten Branche zu verzeichnen, und die böhmischen Eta­blissements erregen sowohl in ihren Einrichtungen als durch ihre Erzeugnisse die Anerkennung des In- und des Auslandes. Unter den Unternehmungen, die zur Gründung des Weltrufes der böhmischen Metall-Industrie Stein an Stein gefügt haben, ist in erster Reihe die Firma J. Kudlicz in Prag-Bubna zu nennen, deren technische Fortschritte und bahnbrechende Neuheiten auf den Gebieten des Eisengusses und des Maschinenbaues die Auf­merksamkeit des Fachmannes hervorrufen.

Das Etablissement wurde als eines der ersten in Bubna von der Firma Stanek & Reska im Jahre 1870 gegründet und von derselben als Betriebsstätte für mechanische Constructionen benützt. Damals befanden sich die Fabriksgebäude, die seit den letzten Jahren von so zahlreichen Bauten umgeben wurden, noch auf offenem Felde ganz isolirt, seitdem sind jedoch in der Umgebung zahlreiche Zinshäuser aufgebaut worden.

Im Jahre 1885 nahm Josef Kudlicz, der jetzige Besitzer des Etablissements, einen kleinen Theil der Betriebs­stätte in Pacht. Nach und nach miethete er die gesammte Fabrik mit dem angrenzenden Terrain, bis er im October 1894 das ganze Unternehmen von den Reskaschen Erben um i36.ooo fl. ankaufte. Das Fabriksgebäude wurde mit grossem Kostenaufwande umgebaut, eine namhafte Anzahl verschiedener moderner Hilfsmaschinen auf­gestellt und die elektrische Beleuchtung mit eigener Centrale eingerichtet. Das jetzige Areale erstreckt sich über ungefähr 9000 m 2 , der Haupteingang liegt an der Belcredistrasse. Man gelangt in das Etablissement durch einen geschmackvoll angelegten Garten, was auf den Besucher einen sehr freundlichen Eindruck ausübt. Die Fabriks­gebäude umfassen die Bureaux, die Dreherei, Giesserei, Maschinenhäuser, das Kesselhaus und verschiedene andere Räumlichkeiten. Rückwärts auf dem ausgedehnten Hofe befindet sich der Lagerplatz für das Rohmaterial und für verschiedene Vorräthe.

Die Firma J. Kudlicz beschäftigt zwischen 2003oo Arbeiter, und i3 Beamte nebst 4 Werkmeistern theilen sich in die administrative und technische Leitung des Betriebes.

Die Erzeugnisse der Fabrik haben ihr Absatzgebiet nicht nur über das gesammte Inland ausgedehnt, sondern werden auch ins Ausland exportirt. Die Production steht auf einer erheblichen Höhe, und hat die Eisen­giesserei des Etablissements im Jahre 1898 nicht weniger als rund 3,500.000 kg producirt. Eine ausnehmende Spe- cialität der Firma bilden die Hart- und Weichgusswalzen für AValzwerke, Papierfabriken und andere Unter­nehmungen. Diese Artikel mussten bisher fast ausschliesslich aus dem Auslande, vorzugsweise aus Westfalen und aus England bezogen werden. Es ist daher ein bedeutendes Verdienst der Firma J. Kudlicz, dass sie diese Specialerzeugung unter grossen Opfern aufnahm und nach langjährigen Erfahrungen so hervorragend gestaltete, dass dieselbe gegenwärtig als erstes Etablissement Oesterreichs für Walzenerzeugung, namentlich in Hartguss gilt. Herr Kudlicz ist im Besitze einer in Oesterreich, Deutschland und in anderen Auslandsstaaten patentirten Special­gussmethode für Walzen.

92