Die Jaquard-Weberei.
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stuhles, der nun sogar mit elektrischer Kraft webt. Da, wie gesagt, in Amerika die Seidenmanufaktur aus bereits angegebenen Gründen sehr in den Windeln noch liegt, hatte die Vers. keinen Anlaß, sich hierüber auszulassen, und erwähnt lediglich die Thatsache, daß in Lyon und in St. Etienne die Jaquardstühle mit Elektricität getrieben werden. — Ein Wunder des menschlichen Erfindungsgeistes ist schon der Jaquardstuhl. — Die Lage der armen Seidenweber war gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts eine sehr traurige, und da auch die Angehörigen der Weber angestrengte Beihülfe leisten mußten, traf die Frauen und Töchter ebenfalls das Loos erschöpfender und schlecht belohnter Arbeit. „Die Leiden derer, welche in damaliger Zeit in diesem Gewerkszweige beschäftigt waren, sollen schrecklich gewesen sein, und der Contrast war herzzerbrechend, den die reichen Stoffe ihrer Arbeit mit den erbärmlichen Lumpen machten, in welche die Arbeitenden selbst gehüllt waren," heißt es in einer Erzählung über die Erfindung des Jaquardstuhles. Jaquard war der Sohn eines solchen armen Seidenwebers und ebenfalls an diese Arbeit gekettet. Der Jammer über das Elend seiner Mutter, Geschwisterte und weibliche Verwandten erweckte den in ihm schlummernden erfindenden Genius, und er schenkte der Welt jene wunderbare Erfindung, welche den Arbeitern ihre harte Bürde abnehmen und sie dennoch für ihren Fleiß entsprechend belohnen sollte. — Nachdem seine Erfindung Anerkennung von der Regierung gefunden hatte, kehrte er in der Hoffnung, seinen Landsleuten eine große Wohlthat zu bringen, nach Lyon zurück, und nachdem er auf eigene Kosten eine Maschine hatte aufstellen lassen, lud er den Gewerberath ein, seine Erfindung in Augenschein zu nehmen und sein Urtheil darüber abzugeben. Dieser erleuchtete Rath aber widersetzte sich nicht nur der Einführung der Maschine, sondern gab sogar Befehl, daß sie vom Scharfrichter auf öffentlichen Markte verbrannt werden sollte, was auch unter dem Beifallsjubel der versammelten Masse vollzogen ward. Die Erfindung rief gerade unter den Webern, zu deren Vortheil sie namentlich berechnet war, einen ungeheuren Haß gegen ihn selbst hervor und er entging mit genauer Noth ihrer Wuth, welche ihn eben so wie seine Maschine behandelt haben würde. — Englische Fabrikanten fürchteten sich aber vor den Jaquardstuhle nicht, als wie vor einem Hexenwerke, sondern führten denselben sofort ein, so daß die Lyoner mit ihrem alten Schlendrian nicht mehr concurriren konnten, sondern uun zu dem schwer gekränkten Manne kommen und ihn jetzt bitten mußten, daß er ihnen seine Erfindung zur Benutzung gebe. Der wackere Mann that dies und fügte noch mehrere Verbesserungen an, und — das Bewußtsein, seinen Mitbürgern einen wesentlichen Dienst geleistet zu haben, war ihm hinreichende Belohnung; er verlangte kein Geld. Die Seidenwirker haben in der That durch die Einführung der Jaquard'schen Maschine eine ganz neue Existenz erhalten; denn wenn auch die Beschäftigung nicht immerzu ergiebig ist,