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Die Groß-Industrie Oesterreichs : Festgabe zum glorreichen fünfzigjährigen Regierungs-Jubiläum seiner Majestät des Kaisers Franz Josef I. dargebracht von den Industriellen Österreichs 1898 ; Dritter Band
Entstehung
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die Rahmen des gleichen Modelles vollkommen gleich sind. In der Schlosserei werden weiter in einer gesonderten Abtheilung Gabeln, Lenkstangen, Sattelstützen, Bremsen etc. zusammengestellt und zum Löthen vorbereitet. Von hier werden die angeführten Bestandtheile in die Lötherei befördert und daselbst von erprobten Arbeitern auf modernen Gaslöthöfen mittelst Hartloths auf das sorgfältigste gelöthet und hierauf mittelst Sandstrahlgebläse vom

anhaftenden Zunder befreit. Dann kommen diese und alle anderen Bestandtheile, welche vernickelt werden, in die Schleiferei, um auf einer Anzahl grosser und kleiner Schleifma­schinen verschiedenster Construction hoch­glänzend geschliffen und polirt zu werden, worauf sie die Vernicklerei passiren, in wel­cher selbe vorerst mittelst vier Operationen vollständig entfettet werden, was zur Erzie­lung einer schönen und dauerhaften Hoch­glanzvernickelung nothwendig ist. Vier grosse Nickelwannen dienen zur Aufnahme der Ge­genstände und werden von einem separaten Vernickelungsdynamo mit elektrischem Strome gespeist. Nach diesem Verfahren kommen die Rahmen, Gabeln, sowie Radfelgen zur Emaillirung.

Sehr interessant ist auch die Rad­spannerei, wo unter anderem die Felgen und Naben auf Specialmaschinen getheilt und ge­bohrt und die Speichen und Nippel mit Ge­winden versehen werden. Dann werden die losen, von Hand aus zusammengestellten Räder auf einer ameri­kanischen Rädercentrirmaschine fertiggestellt, so dass eine Speiche wie die andere vollkommen gleich gespannt ist.

Nachdem die fertigen Bestandtheile den Probirsaal, woselbst jeder nicht genaue Theil ausgeschieden wird, passirt haben, kommen selbe in den Montirsaal, wo sie von geschulten Arbeitern zu fertigen Fahrrädern montirt werden. Jedes einzelne Fahrrad wird nach seiner Fertigstellung, bevor es die Fabrik verlässt, nochmals auf das allersorgfältigste einer Probe unterzogen.

Zum Antrieb aller angeführten Maschinen, sowie zum Betriebe der eigenen elektrischen Beleuchtungsanlage für 500 Glühlampen und 8 Bogenlampen verwenden die «Graziosa»-Fahrradwerke eine 100 ZfP-Dampfmaschine. Sämmtliche Arbeitsräume, sowie die Bureaux sind mit einer Centralheizung versehen. Gegenwärtig beschäftigt die Fabrik in ihren 108 m langen und 9 m breiten Arbeitssälen 3 oo Arbeiter. Die Erzeugnisse der «Graziosa»- Fahrradwerke und besonders das kettenlose Rad finden nicht nur in Oesterreich-Ungarn, sondern auch im Auslande vollste Anerkennung, und der Export erstreckt sich bis jetzt auf Deutschland, Holland, Italien, Schweiz, Belgien, Schweden, Norwegen, Dänemark, Russland, Serbien, Bulgarien, Aegypten, sogar nach China und Südamerika.

Die Fabrik hat neuerdings eine Vergrösserung erfahren, weil die Graziosa-Fahrradwerke sich nun auch mit der Motorwagen-Fabrication befassen. In den neuen Fabriksräumen wird unausgesetzt an der Aufstellung von Specialmaschinen für die Motorwagen-Fabrication gearbeitet, und werden die Werke in kürzester Zeit mit einer eigenen neuen Type in die Oeffentlichkeit treten, welche als das Resultat langen Studiums allgemeinen Beifall finden wird.

J

Ein Theil der Montirungswcrkstätte im I. Stock.

WM

Ein Theil der Schlosserei im II. Stock.

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