zurichteten. Hervorragendes auf dem Gebiete der Fellfärberei leistete die Firma L. Harthauser in Gaudenzdorf bei Wien, welche seither an der Spitze dieses Industriezweiges blieb. Die Sohlleder-, respec- tive Terzengerberei acceptirte in dieser Zeitperiode die Verwendung der aus der Levante und aus Griechenland importirten Valonea als Gerbstoff, welche in Italien und England schon an die 40 Jahre früher erfolgreich verwendet wurde.
Im Gebiete der Weissgerberei sank die Herstellung von Sämischleder, welche früher in grösster Blüthe stand, allmählich herab, da die bäuerliche Bevölkerung, welche früher Lederhosen trug, mehr und mehr zu Stoffbeinkleidern übergieng, und da weiters die sämischgahren Militärriemen durch loh- gahre ersetzt wurden. Dafür erhielt die Weissgerberei durch die Production von Glacdleder einen Ersatz. Obwohl in Oesterreich schon früher alaungahres Leder für Handschuhzwecke erzeugt wurde — die Firmen A. Michaler in Korneuburg, Ch. Avart und J. M. Trümper in Wien hatten hierin einen guten Ruf — so war dies grösstentheils schwedisches Handschuhleder, während die Herstellung des eigentlich französischen oder auch Erlanger Leders bis dahin noch im Anfangsstadium war. Erst in der in Rede stehenden Berichtsperiode nahm die Glaceledergerberei einen rapiden Aufschwung, begünstigt durch die grosse Menge von Rohmaterial in Lamm- und Kitzfellen, welche Oesterreich producirt, und wovon noch grosse Quantitäten ausgeführt werden. Bei der Gerbung der Glacöleder hielt man sich damals noch streng an die deutsche oder Erlanger Methode und erzielte damit ein sehr gutes Fabrikat, dessen grösster Thei> als Leder oder als fertige Handschuhe nach England und Amerika exportirt wurde. Hauptorte für die Glacöledererzeugung waren Prag und Wien.
Die Periode des wirthschaftlichen Aufschwunges in Oesterreich, welche in den Anfang der Siebzigerjahre fällt, wirkte zunächst sehr nachhaltig auf die Vergrösserung der Production in der Lederindustrie. In dieser Zeit wurde eine ganz beträchtliche Anzahl von Gerbereien erweitert und zu Fabriken umgestaltet, nebstdem wurden viele neue Fabriken errichtet. Von da ab nimmt die Gerberei die Tendenz des Grossbetriebes an, welche sich immer mehr steigert. Diese Richtung musste wie in anderen Industriezweigen auch in der Gerberei auf die Verhältnisse und den Stand des handwerks- mässigen Betriebes intensiv einwirken. Bis zu dem Anfang der Siebzigerjahre war bereits ein Viert- theil von der früher bestandenen Anzahl der Gerbereien infolge der Concurrenz, welche die Gross- production geschaffen hatte, eingegangen, trotzdem der Lederconsum ein flotter und sogar der Export zur Zeit des deutsch-französischen Krieges ein nicht unbedeutender war. Es begann jetzt der Kampf um’s Dasein, aus welchem nur die intelligenten und capitalskräftigen Gerber siegreich hervorgehen konnten. Um diesen Kampf den lebensfähigen Elementen der Branche zu erleichtern, wurde vom k. k. Handelsministerium über Anregung des um die österreichische Leder-Industrie hochverdienten Lederfabrikanten Eduard Janesch in Klagenfurt, welchem dieser Industriezweig noch viele andere werthvolle technische Anregungen verdankt, die Versuchsstation für Leder-Industrie 1874 creirt. Dieser Anstalt wurde die Aufgabe gestellt, auf wissenschaftlichem und auch praktischem Wege den Industriellen namentlich in dieser Uebergangsperiode beizustehen und überhaupt für die Förderung der einheimischen Leder-Industrie zu wirken. Die weitere Entwicklung unserer Leder-Industrie, welche früher nie geahnte Dimensionen annahm, gibt Zeugnis dafür, dass diese Anstalt die ihr gestellte Aufgabe voll gelöst hat.
Von dem Jahre 1873 an übernahmen naturgemäss die fortschrittlich ausgerüsteten Fabriken die Führung des Industriezweiges.
Durch die in Aufnahme gekommene amerikanische Union-Lederspaltmaschine wurde die Ober- lederfabrication stark beeinflusst und gehoben. Einen weiteren kräftigen Impuls erhielt dieselbe durch die Heranziehung eines neuen Rohmaterials, nämlich der ostindischen Kipshäute. Dieselben kamen zuerst in schon gegerbtem Zustande aus England und wurden bei uns für verschiedene Zwecke der Schusterei auf verschiedene Art zugerichtet; nachdem man aber auch das Rohmaterial dafür und dessen eigenthümliche Behandlung in der Gerbung kennen lernte, bezog man nur mehr dieses. Es entwickelte sich in der Kipsgerberei ein eigener Zweig der Oberledergerberei, welcher nach und nach grössere Dimensionen annahm. Die Firmen Carl Budischowsky in Trebitsch, Jos. Seykora in Adler-Kosteletz in erster Linie, nebstdem eine grössere Anzahl anderer Firmen brachten diesen Artikel zur Bedeutung.
Die Gross-Industrie. III.
353
45