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Weltausstellung

1873 .

Die Frauenarbeit.

I.

Einleitendes.

An der nordöstlichen Seite des Ausstellungsterrains, zwischen dem Pavillon der Staatsbahn und dem Expo­sitionsgebäude des Ackerbaumimsteriums, steht eine jener hölzernen Bauten, wie sie der große, weite Platz unter den grünen Bäumen des Praters derzeit in bedeuten­der Zahl auszuweisen hat. Ein paar Säulen tragen ein Vordach, das gleichsam ein Vestibül bildet, und in diesen! hängen zwei Bilder. Das eine derselben stellt einen Mann dar, der über Schriften und Skizzen hin- blickend, die er mit der Linken wie liebevoll schützend festhält, einem anderen Manne, in Lederschurz und Handwerkertracht, die Rechte entgegenstreckt; dieser hat sie erfaßt und schaut mit verständnißvollem Blicke auf die Schriftzüge und Zeichnungen herab, die Gedanken­arbeit des vor ihm Sitzenden, der ihm forschend ins Auge sieht. Gedanke und Durchführung, Theorie und Praxis schauen uns in sprechender Verkörperung aus dem Bilde entgegen. An der Nebenwand ist durch eine Copie von Ludwig Richters schaffender Hausfrau die Arbeit des Weibes in ihrem reizenden Gewände häuslicher Idylle dargestellt, die Mutter im Kreise ihrer Kinder, am Spinnrocken, im Erkerstübchen, mit dem Hinblicke auf die kleinen, geschäftigen Mädchen, die Bienenschaar im Weiberröckchen.

Wenn wir an diesen Bildern vorüber in das Innere des Hauses treten, so schauen uns ganz wunderbare Dinge von allen Ecken und Enden entgegen: optische Instrumente, Brückenmodelle, eiserne Thürschlösser, chemische Präparate, Webestühle, Frauen- und Männer­hüte, solche, wie man sie zu Methusalems Zeiten ge­tragen, und solche, wie wir sie in den Schaufenstern unserer Stadt alltäglich zu sehen bekommen, Männer­röcke und Frauengewänder in Gold- und Silberstoff, Prunk- und bürgerliche Alltagstrachten, wie sie unsere Urahnen getragen, längst vergessene Fußbekleidungen, Trompeten, Cithern und sonstige Musikinstrumente von absonderlicher Gestalt, athemlose Spinelle, vor denen wir in stummer Rührung stehen bleiben, weil uns die Etiketten sagen, daß das eine dünnbeinige Ding dem Liederheros Schubert, das andere dem olympischen Donnerer Beethoven, das dritte Mozart oder einem ähnlichen, tönende Wunder schaffenden Menschen einst angehörte; und noch hundert andere Dinge schauen uns von allen Seiten in bunter Mischung entgegen. Wir sind in einen Raum getreten, welcher die Illustration zu der Geschichte der neuesten Erfindungen in greifbarer Form bietet; rings herum an den Wänden hängen die Portraits der Männer, welche diese Geschichte ins Leben riefen; Gelehrte, Techniker, Erfinder in Gedanken und That, Menschen, welche die großartigsten, weltbewegendsten Revolutionen vollbringen halfen und die unabweislichste Herrscher­gewalt in Kraft und Uebung setzten, die der Macht des Geistes über die Materie.

Pros. Exner gebührt das Verdienst, uns die Thaten dieser Männer, die ursprüngliche Verkörperung ihrer Gedanken bis zum vervollkommnetsten Standpunkt der Neuzeit klar und greifbar vor das Auge gestellt zu haben.

Während nun der Besucher durch die Reihen von Kästen und Tischen schreitet, in und auf denen Längst- verblichenes und Niegesehenes neben Liebgewonnenem, Alltäglichem beisammen liegt und ihn der Ernst jahre­langer Mühe und Mannesarbeit, die hier allem Ent­stehen und Werden zu Grunde liegen, erfaßt, begegnet feinem Auge Plötzlich ein anderes, heiteres Bild, das ihm durch zwei hohe Bogenthüren aus dem anstoßenden Raume entgegenschaut. Es hat sich nämlich hier, wie es allenthalben im Leben geschieht, dicht hinter den Werken des Mannes das flüchtige, aus Millionen Fäden gefügte Gewebe festgenestelt, das überall Raum sucht und Raum findet, das scheinbar aus nichts ent­steht und doch über dre ganze Welt sich breitet, das bunte, artenreiche Ding, das nur Frauenarbeit nennen.

Es lag in dem ersten Plane dieser Collectivausstellung, die ganze Thätigkeit der Frauen Oesterreichs, von der Schule bis zum Gipfelpunkte menschlicher Leistungs­fähigkeit, bis zu den Werken der Kunst und Literatur zur Exposition zu bringen. Aus mancherlei Gründen, vor Allem um der räumlichen Verhältnisse willen, die

bedeutende Beschränkung auferlegten, sind die beiden letztgenannten Zweige der Ausstellung nicht ausgeführt worden und wir sehen nun hier nur die eigentliche Frauenarbeit exponirt. Sie beginnt ordnungsgemäß mit der Schule, und zwar mit der Volksschule, in welcher das kleine, sechsjährige Mädchen seine erste Geduldprobe an dem ersten gestrickten Bündchen ab­legen lernt; dann sind da die städtischen Töchterschulen, die Lehrerinnen-Bildungsanstalten, die Klosterschulen, die Vereinsschulen, die Privatinstitute, die Taubstummen institute, die Waisenhäuser und endlich die traurigsten Arbeitsstätten und Schulen, die weiblichen Straf­anstalten. Dann folgen die Arbeiten von Dilettan­tinnen, die Früchte und das Resultat der Schulen, geschmückt und ergänzt durch den Einfluß des Zeit' geistes, der Mode und der gereiften weiblichen Phon tasie, die auf das in der Kindheit Erworbene Neues, Ersonnenes und Erfundenes aufbaut. Wir sehen da neben Arbeiten, welche die Mußezeit im Palaste end stehen ließ, solche, die Noth und Mangel dem sin nenden Kopse und den schaffenden Händen abgerungen haben, ganz vortreffliche Leistungen, die uns mit Ach­tung und Bewunderung für weiblichen Fleiß und weib­liche Erfindungsgabe erfüllen

Angereiht an die geradezu glänzenden Objecte, welche diese Ausstellung begreift, präsentirt sich vor dem Auge des Beschauers eine Erscheinung, wie sie nur die traditionelle Dichtkunst im Volke zu ersinnen vermag, die nationale weibliche Hausindustrie, die Arbeiten der Frauen im Dorfe, wie sie für den Be­darf des Hauses geschaffen und seit Jahrhunderten angefertigt werden. Wie eine Wunderblume aus dem Mährchen sieht uns diese Sammlung aus dem hohen Eichenschranke, der sie faßt, entgegen.

Absonderliche Weibermützen, Brautkränze voll Gold und voll Blumen, die nie erblühen und nie verwelken, schwere, gewebte Linnenstoffe, mit blitzendem Flitter bedeckte Gewänder, Teppiche von orientalischer Farbenmischung, Stickereien, die wie aus einem ande­ren Welttheile und aus längstverklungener Zeit herein¬ blicken, liegen da vor uns hingebreitet. Wie der rauschende, frische Quell des Lebens und der Erfin­dung und plötzlich wieder wie ein dürftiges, sterben­des Blümchen, das der Geist der Neuzeit in unauf­haltsamem Weiterschreiten zu zertreten droht, sehen uns diese Dinge an, die Frauenhände in der Ein­samkeit des Gebirgsdorfes, an der Küste des Meeres und in den armseligen, schornsteinlosen Hütten im Nordosten Oesterreichs geschaffen haben.

Während wir, noch halb in die Poesie der Ideen versunken, die diese Darstellung in uns weckt, uns langsam von ihr wenden, sieht uns wie die verkörperte Klugheit, aus Pultschränken eine ganz andere, in merkwürdige Exposition entgegen der Frauentyätigkeit auf Großindustrie Oesterreichs.

mit einem Male, kleinen, niederen ihrer Art ganz : die Darstellung dem Gebiete der In Bildern, thei s

einverwebt, wie viel Mühe, wie viel Sinnen und Dichten liegt all' den Arbeiten zu Grunde, die da vereint, ein glänzendes, farbenprächtiges Gesammt- bild, uns von allen Wänden entgegenschauen. An- derthalbtausend Arbeiten sind aus allen Provinzen Oesterreichs in den kleinen Pavillon im Prater ein­gelaufen; die Schulen aus fast allen größeren Städten, die kleinen Dörfer im tiefsten Süden und im fernsten Norden unseres großen Landes, die ungekannten Ar­beitsstätten unserer Frauen, sie alle haben ihr Schärf- lein beigetragen, um die Ausstellung zu beschicken, um das Bild zu einem vollendeten zu machen.

Aglaia v. Enderes.

IkuiUettur.

Jsabella Roffi, Gräfin Gabardi-Brorchi.

Photographien, theils guten Handzeichnungen, sind die Arbeiterinnen in den Fabriken, den Ateliers, den Werkstätten an dem Platze ihrer Thätigkeit, an den Maschinen, den Webstühlen und mit ihrem Handwerks­zeuge ausgerüstet abgebildet und den Bildern die Arbeitsgegenstände in allen jenen Stadien beigegeben, in welchen sie bei der Fabrication durch weibliche Hände gehen. Es ist durch diese Exposition, welche den Herren Sectionsrath Dr. Migerka und Han- delskammersccretär Dr. Hold Haus ihre Durchfüh­rung verdankt, das Gebiet der Fraucnthätigkeit in jedem besonderen industriellen Zweige mit einem einzi­gen Blicke zu übersehen und ruht ein ganz wunder­barer Schatz von Belehrung in der kleinen, abson­derlichen Bildergalerie, die sich da vor unserem Auge an einander reiht. Die Gesammtausstellung der Frauenarbeit aber hat durch diese Darstellung einen vervollständigten Abschluß gefunden; sie ermöglicht uns, in die Arbeitsstätten zu blicken, wo die Frau ungesehen und ungenannt mitarbeitet an den vielbe- bewunderten Jndustriewerken, die nach ihrer Vollen­dung uns tagtäglich draußen auf dem Weltmärkte begegnen.

Wenn wir unsere Augen an der Wollspinnerei, der Tuchsabrication, an dem Meerschaum- und Metall- Poliren, der Nadelfabrication, dem Porzellanmalen und dergleichen mehr sattgesehen, kehren wir zu den Spitzen, Blumen und farbigen Seidengeweben zurück, die den großen Saal erfüllen.Die Arbeit von ein­tausend Stunden", sagt eine kleine Inschrift, die über einem weißgestickten, kleinen Battisttuche von der Ver­fertigen» angebracht wurde. Wie viel Mal tausend Stunden sind mit Freud und Leid in all' die Spitzen, Tücher, Kissen und Gewänder von Frauenhand hin-

Diese geschätzte Dichterin ist eine Florentinerin und zeichnete sich schon in früher Jugend durch eine unge­wöhnliche Begabung aus. Nicht nur daß Jsabella die Musen hold waren, sondern sie selbst mit ihrer hohen, majestätischen Gestalt und den sanften, edlen, ernsten, regelmäßigen Zügen erschien wie eine Muse. Sie liebte ihre Eltern, denen sie ihre 1841 unter dem Titel ?i '086 cki Isadella Rossi, k'iovenliiia" gesammelten Schriften in innigster Verehrung zueignete und die beide gleichfalls dichterisches Talent besaßen ; sie liebte das Vaterland wie eine Römerin des Alterthums mit einer großartigen, beinahe männlichen Energy. In ihrendurch bürgerliche Tugenden ausgezeichneten toscanischen Frauen" suchte sie ihre Mitschwestern durch große Beispiele aus der Vergangenheit zu edlen Thaten zu entflammen. Mit Schwung und Kraft und dabei in gedrängter Kürze des Ausdrucks erzählt sie von Lucrezia Mazzanti, der Florentinerin, die vorzog im Arno ihr Grab zu suchen, anstatt sich dem feind­lichen Hauptmanne Recanati zu ergeben; und von Madonna Ghitta, die bei der Belagerung von Florenz Alles, was sie besaß, ein Paar goldene Ohrringe und ihren einzigen siebzehnjährigen Sohn, dem Vaterlande widmete; und von den kühnen Vertheidigerinnen von Siena; und von jener Cinzica dei Sismondi von Pisa, die eine italienische Jeanne d'Arc genannt zu werden verdient; ferner von der nicht minder kriegerischen Jppolita Degl' Azzi von Arezzo.

Aber auch die weicheren Gefühle und Empfindun­gen versteht Jsabella Roffi zu schildern; ihre geschicht­liche Erzählung von jener florentinischen Mutter, die ihr dreijähriges Kind aus den Klauen des Löwen be­freit, indem sie ihn durch ihr Jammergeschrei rührt, steht so deutlich und klar vor den Augen des Lesers, daß er eine antike Mosaik zu erblicken glaubt, auf welcher der ergreifende Vorgang abgebildet ist. Die Perle unter jener Reihe von Erzählungen ist aber die bolognesische Mutter", die jedes edle Herz rüh­ren muß. Sie zeigt eine Frau mit aufopfernder Tu­gend auf jenem Gebiete, in dem die Frauen überhaupt nicht leicht übertroffen werden können: dem der groß­müthigsten, liebevollsten Vergebung. Diebolognesische Mutter" ist eine Heldin der menschenfreundlichsten, selbstvergessendsten Liebe und dadurch groß. Sie sitzt in ihrem majestätischen, ernsten Palast und erwartet mit zärtlicher Ungeduld in später Abendstunde ihren einzigen Sohn. Er kommt nicht. Anstatt seiner kommt ein fremder junger Mann und fleht sie an, ihm ein Asyl zu gewähren, da er das Unglück gehabt habe, in einem Streit einen Anderen umzubringen. Er ist bleich, seine Kleider sind mit Blut befleckt. Madonna hat Mitleid mit ihm und verbirgt ihn vor den Nach­forschungen der Behörden.Madonna", sagt ihr der Anführer der Truppen,der Mann, den wir suchen, ist hier und Sie würden ihn uns nicht verbergen, wenn Sie wüßten, daß er der Mörder Ihres Sohnes ist." Sie erbleicht und stützt sich mühsam an dem Altar, unter dem sie den Fremden verborgen, aber trotz der herzzerreißenden Verzweiflung der Mutter siegt doch die Güte in ihrem erschütterten Innern und das Ge­heimniß kommt nicht über ihre Lippen. Die Truppen ziehen sich zurück. Der junge Mann fällt ihr voll Reue, Bewunderung und Dankbarkeit zu Füßen und will den Saum ihres Gewandes küssen.Berührt mich nicht", ruft sie voll Abscheu,das Blut, das ich den Adern meines Sohnes mittheilte, befleckt Eure Hände."

Oh Signora, haben Sie Mitleid mit mir", er­wiederte er,übergeben Sie mich den Gerichten, aber ersparen Sie mir die Marter, die Ihre Worte mir