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Die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Wiener Lohnarbeiterinnen : Ergebnisse und stenographisches Protokoll der Enquete über Frauenarbeit, abgehalten in Wien vom 1. März bis 21. April 1896
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Nr. 9t : Bei uns auch nicht mehr. Im Ziegelofeu verdient man halt fl. 9, 6-50.

^ Dr. Adler: Was ist der größte Wochenverdienst, den Sie nach Hause gebracht haben? Exp. Nr. 91: Manchmal fl. 20 oder 18 mit dem Mann zusammen, wo die Kinder mitgeholfen haben und die Mutter auch.

Dr. Adler: Wie haben Sie im Sommer gelebt? War da auch nur schwarzer Kaffee? Oder Milch? Exp. Nr. 91: Milch. Sonst haben wir nur am Sonntag ein Stückel Fleisch gekauft, in der Woche nichts.

Dr. Adler: Haben Sie nicht z. B. Wurst gekauft? Expertin Nr. 91 : Nein, denn man muß doch schauen, daß man im Winter etwas Gewand kaufen kann. Man muß im Sommer immer sparen, denn die Kinder brauchen ja wieder Hemden u. s. w.

Dr. Adler: Haben Sie im Sommer nicht Bier oder Wein getrunken? Exp. Nr. 91: Zur Jause Alle zusammen einen Liter; euren Liter- Milch Früh.

Dr. Adler: Nachmittag auch Milch? Exp. Nr. 91: Brot und einen Liter Bier.

Dr. Adler: Wie sind denn die Kinder gekleidet? Können Sie ihnen im Winter warme Kleider anschaffen? Exp. Nr. 91: Im früheren Sommer, wo wir etwas mehr verdient haben, haben wir Barchentkleider gekauft. Nun kann man gar nichts kaufen oder nur die billigsten Fetzen für die Kinder.

Dr. Adler: Haben die Kinder Schuhe bei den Schulgängen? Exp. Nr. 91: Im Winter habe ich übertragene Schuhe gekauft, die haben sie zerrissen. Andere kann ich nicht kaufen, und so tragen sie halt wieder so alte Stiefel. Sie bekommen sie auch manchmal von anderen Leuten geschenkt.

Dr. Adler: Kleider bekommen Sie nicht geschenkt? Expertin Nr. 91: Nein.

Dr. Adler: Wer schenkt Ihnen das? Sind das wohlhabende Leute, oder ist das vielleicht eine Christbescheerung in der Schule? Exp. Nr. 91: Von der Schule ist es nicht; es ist von Leuten, die so wie wir Arbeiter sind, nur daß sie weniger Kinder haben.

Dr. Adler: Der Hausherr gibt Ihnen nichts? Exp. Nr. 91: Nein.

Expertin Nr. 92: Ich bin aus Böhmen gekommen und arbeite nun schon acht Jahre auf einem Werk, wo ich grobe Ziegel mache. Ich bin verheiratet. Zusammen mit dem Mann mache ich 5000 bis 5500 Ziegel in der Woche, und dafür bekommen wir fl. 14 bis 15. Wir haben noch ein Mädchen, das trägt auch Ziegel, sie schaut auch aus das Kind, sie hilft uns eben zeitweilig. Ich habe nur ein Kind, zwei Jahre alt. Ich zahle dem Mädchen, das elf Jahre alt ist, im Winter 50 kr., im Sommer sl. 1 pro Woche und dazu das Essen. In die Schule geht sie nicht mehr. Ihre Eltern sind im Hof hinter Schwechat und können sie nicht in die Schule schicken. Das Mädchen ist aus Mähren. Ich arbeite von 6 bis 0 Uhr im Winter und im Sommer, auch seit dem Strike; früher war es von 3 bis 5 Uhr, selbst bis 7 und 8 Uhr, und da habe ich ebensoviel verdient.

Exp. ,1: Im vorigen Sommer nach dem Strike habe ich gesehen, wie noch Leute von 3 Uhr an gearbeitet haben.

Exp. Nr. 92: Wer wollte, hat gearbeitet, Alle nicht. Ich beginne immer nach 6 Uhr, manchmal früher. In: Winter wird um 6 Uhr begonnen. In früherer Zeit sind die Leute auch früher, um 4 oder 5 Uhr, arbeiten gegangen. Im Sommer, auch schon nach dem Strike, wenn welche schon um V 26 Uhr gegangen sind, da sind Andere auch mit ihnen gegangen.

Vorsitzender: Wo wohnen Sie? Exp. Nr. 92: In Neusiedl in einem Privatquartier. Das Werk ist jetzt aufgelassen, da ist die 14tägige Kündigung erfolgt; einstweilen arbeiten noch die Männer, wir Frauen gehen ihnen nur ein bischen aushelfen. Was die Arbeitszeit betrifft, so kommt es

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