.-;34
Exp. Nader: Die Frauen mögen sich vielleicht ursprünglich nicht dem Schnapsgenusse hingegeben haben, jetzt kommt es aber schon häufig vor. Die Frauen werden um den Schnaps geschickt, und da ist es Brauch, daß der Mann zu ihr sagt: „Na, trink' amal, Mariedl!" — und so hat sich die ein 5 oder andere das Trinken angewöhnt.
Engel: Wo arbeiten Sie jetzt? — Exp. Nr. 95: Im X. Bezirke. Dorthin habe ich eine Stunde.
Dr. Schwiedland: Wie finden die Leute Arbeit? — Expertin Nr. 95: Sie gehen auf den Bau und fragen sich an. Werkzeuge haben wir nicht zu kaufen. Geschenke werden an den Polier nicht gemacht. Abends koche ich mir Erdäpfelsuppe oder Knödel; Sonntag kaufe ich ein paar Deka Fleisch. Ich habe ein Waisenkind bei mir; das ist das Kind meiner Schwester. Der Knabe ist acht Jahre alt. Tagsüber ist er in der Schule, und wenn er nach Hause kommt, geht er zu einer Nebenpartei. Ich selbst habe drei Kinder gehabt. Dieselben sind gestorben. Eines wurde todt geboren. Das zweite ist nach zwei Monaten und das dritte nach sechs Monaten, und zwar dieses an Masern gestorben. Ich habe vor der Entbindung bis zum letzten Augenblick gearbeitet. Sonntag Nachmittags muß ich flicken. Ich lese die „Arbeiter- Zeitung" und die „Volkstribüne", die anderen Arbeiterinnen haben Angst, wenn es der Polier sehen sollte, aber ich gebe oft dem Polier die Zeitung selbst in die Hand.
Dr. Osner: Was bekommt der Knabe zu Mittag? — Exp. Nr. 95 : Da lasse ich ihm etwas zu Hause.
Dr. Osner: Wie viel geben Sie für ihn aus? — Exp. Nr. 95: In der Früh hat er das Frühstück, da lasse ich ihm ein Stück Brot, zu Mittag zahle ich 5 kr. im Wirthshause für Zuspeise, und Nachmittags hat er wieder Brot.
Dr. Schwiedland: Es wird sehr wenig von der Volksküche gesprochen; woher kommt das? — Exp. Nr. 95: Ich war einmal in der Volksküche, aber ich gehe nicht mehr hin, denn das Essen ist zu schlecht. Zuspeise kaufe ich mir selten; entweder Suppe oder Bier.
Engel: Wann haben Sie das letzte Kind bekommen? — Expertin Nr. 95: Im Jahre 1887.
Engel: Waren Sie lange nach der Entbindung zu Hause? — Exp. Nr. 95: 14 Tage; vorher habe ich bis zu Weihnachten gearbeitet, und an: 5. Jänner habe ich entbunden.
Dr. v. Fürth: Bekommen Sie für das Pflegekind etwas von der Gemeinde? — Exp. Nr. 95: Nein. Sein Vater lebt noch, der schaut sich aber darum gar nicht um.
Dr. Lode: Weshalb haben Sie bei der ersten Entbindung bis unmittelbar vor der Entbindung gearbeitet? Haben Sie nicht gewußt, daß wir Gebäranstalten besitzen? — Exp. Nr. 95: Ich wollte nach Hause aus das Land fahren und habe noch 14 Tage arbeiten wollen. Ich habe keine Ahnung gehabt, daß es schon an der Zeit ist.
Dr. Lode: Ist in Ihrem Kreise nicht die Kenntniß verbreitet, daß die Arbeiterinnen in den Gebäranstalten unentgeltliche Aufnahme finden? — Exp. Nr. 95: Das weiß ich nicht.
Vorsitzende: Haben Sie nicht daran gedacht, in's Findelhaus zu gehen? — Exp. Nr. 95: Ich war ja verheiratet.
Vorsitzende: Warum haben Sie noch 14 Tage arbeiten wollen? — Exp. Nr. 95: Ich habe noch Schulden gehabt und habe deshalb etwas verdienen wollen.
Dr. Schwiedland: Sind Sie nach Wien zuständig? — Expertin , Nr. 95: Nein; auch der Vater des Kindes nicht.
'Vorsitzende: Ist der Abort anständig? — Exp. Nr. 95: Es ist halt so eine Bretterhütte.