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Exp. Nr. 103: Ich war dort Aufmacherin, ich bediente sechs Drucke­rinnen, dafür bekam ich 70 kr. täglich. Wenn die Drnckerinnen um V?? Uhr fertig waren, so mußte ich den Rest nicht aufarbeiten, sondern was übrig geblieben ist, habe ich am nächsten Tag in der Früh gemacht.

Exp. 4: Ich muß constatiren, daß jetzt eine Aufmacherin für 15 Drucke­rinnen arbeitet, weil wir jetzt eine Maschine zum Aufmachen haben. Die Arbeit mit der Maschine strengt weniger an und geht auch rascher. In Folge dessen werden diese Arbeiterinnen schon vor Feierabend fertig und werden deshalb dann noch zu anderen Arbeiten verwendet.

Vorsitzender: Haben Sie selbst Ueberstunden gemacht? Expertin Nr. 103: Nein. Nur in der Presserei sind welche gemacht worden, in der Druckerei nicht.

Vorsitzender: Ist das technisch möglich, daß die Einen Ueber­stunden machen, die Anderen nicht? Exp. 4: Ja, das sind Handpresserinnen, die müssen ihre Arbeit fertigstellen, die Maschine lauft nur zehn Stunden. Die Drnckerinnen arbeiten im Accord, und es ist ihnen vorgeschrieben, ein bestimmtes Quantum zu machen, je nach der Sorte der Kapseln. Ich habe in Bücher hineingeschaut, und da ist d'rin gestanden: Nächstes Mal 2500 Kapseln, sonst Strafe.

Exp. Nr. 103: Es sind bei uns sehr viele Strafen und Abzüge vor­gekommen. Als ich einen kränken Finger hatte und nicht nachkommen konnte, sind mir oft 10, 20, 30 kr. abgezogen worden. Dann sind mir für das Zuspätkommen um fünf Miuuteu das erste Mal 10 kr. uud dauu bis hinaus zu 50 kr. abgezogen worden. Wenn etwas verdorben wurde, ist Einem gleich der Lohn für ein paar hundert Stück abgezogen worden. Das bezieht sich aber nur auf die Druckerinnen, denn bei mir hat nichts verdorben werden können.

Exp. 4: Die Mädchen müssen ein bestimmtes Quantum machen. Wenn das Blei,-das verzinnt ist, Flecken hat oder zu stark oder zu schwach ist, so werden sie gestraft. Da wird ihnen je nach der Arbeit, welche sie haben, ein paar hundert oder tausend Stück abgezogen.

Vorsitzender: Wie werden die Strafgelder verwendet? Expertin Nr. 103: Davon werden die Arbeiterinnen betheiligt..

Exp. 4: Heuer zu Weihnachten sind über fl. 400 an Strafgeldern vertheilt worden. Die Arbeiterinnen, die länger im Geschäft sind und brav waren, haben mehr, eine sogar fl. 1'28 bekommen. Aber die Abzüge für verdorbene Arbeiten gehören dem Herrn; die betrachtet er als Schaden­ersatz. Ueberdies muß jede Streckerin noch ein gewisses Quantum über die festgesetzte Zahl hinaus herstellen, ohne daß sie dafür gezahlt wird, und zwar deswegen, weil das schon im Vorhinein als Deckung für den Ausschuß dient.

Wittelshöfer: Wie war der Fall, in dem bei Strafe eine Mehr­leistung vorgeschrieben war? Exp. 4,: Es ist darin gestanden: Das nächste Mal um so uud so viel Stück mehr machen, sonst Strafe. Und am nächsten Tag ist fchon darin gestanden: 20 kr. Strafe wegen Faulheit. Bei den Drnckerinnen schreibt das der Director, und bei den Slreckerinnen der Herr selbst.

Wittelsh öser: Wenn Eine ihre Aufgabe nicht macht, so wird das Geld unter die Arbeiterinnen vertheilt? Exp. 4: Nein.

Dr. Ofner: Wenn für verdorbene Arbeit Abzüge gemacht werden, entspricht der Preis der verdorbenen Waare? Exp. 4: Das ist ganz willkürlich. Es wird z. B. der Lohn für schlechte Kapseln abgezogen, diese Kapseln werden aber doch verkauft. Wenn die Kapseln zu schwer sind, so müfsell sie für das Blei, um welches sie zu schwer find, Ersatz leisten. Wie soll aber die Druckern: oder Streckerin das genaue Gewicht herausbekommen? Sie kann das nur nach dem Gefühl machen.

Wittelsh öfer: Wie schätzt die Arbeiterin also das Gewicht?