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Die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Wiener Lohnarbeiterinnen : Ergebnisse und stenographisches Protokoll der Enquete über Frauenarbeit, abgehalten in Wien vom 1. März bis 21. April 1896
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Dr. Frey: Was geschieht mit den Arbeiterinnen in der todten Zeit? Werden sie entlassen, oder setzen sie nur aus? Exp. Dobrovojevics: Sie werden theilweise entlassen, theilweise pausiren sie einige Stunden im Tage. Sie kommen später in die Arbeit und gehen früher fort. Die todte Zeit dauert von Juni bis einschließlich August. Die Arbeiterinnen bekommen dann weniger zu arbeiten. Unser Betrieb ist ein so solider, daß wir auch in der schlechten Zeit beschäftigt werden. Der Herr läßt Lagerwaare machen, damit die Leute nicht so viel pausiren sollen. Sie haben auch in der schlechten Zeit ziemlich zu thun, obwohl sie es, weil sie wissen, daß nicht viel zu thun ist, mit dem Fleiße nicht so genau nehmen.

Dr. Frey: Was geschieht in den Nühanstalten, wenn keine Saison ist? Exp. Dobrovojevics: So viel mir bekannt ist, werden die Arbeiterinnen nicht entlassen, sondern sie pausiren nur. Es wird ihnen von der Frau gesagt:Jetzt müssen wir warten, bis wieder was kommt!" Bei den Akkordsätzen ist es dann so, daß sie weniger verdienen, und Den­jenigen, welche einen bestimmten Lohn haben, wird vom Lohne etwas abgezogen.

Dr. Lode: Sie haben von Erkrankungen in einem Betriebe ge­sprochen. Können Sie überhaupt etwas Näheres darüber angeben? Exp. Dobrovojevics: Wir haben fast gar keine Gelegenheit, mit den Arbeiterinnen in Berührung zu kommen, weil sie meist Hausarbeiterinnen sind oder in Nühanstalten arbeiten. Aber es ist mir gesagt worden, daß die Leute in jenem Betriebe in Folge der vielen Arbeit abgerackert und auch schlecht genährt waren. Es sind Einige an Schwindsucht und Lungen­tuberkulose erkrankt und gestorben.

Dr. Lode: Kommt es vor, daß das Leder im zugeschnittenen Zustande noch einer Färbung unterzogen wird ? Exp. Dobrovojevics: Nein, das Leder ist schon vollständig gefärbt.

Dr. Lode: Ist Ihnen etwas bekannt über schädliche Farbstoffe bei der Handschuhleder-Fabrikation? Exp. Dobrovojevics: Betreffs der Farben ist mir nur bekannt, daß in manchen Betrieben Kremserweiß bei weißen Fellen verwendet wird, weil diese, wenn sie etwas abgelegen sind, gelb werden. Dieses Kremserweiß ist bekanntlich ein sehr schädlicher Stoff. Er erzeugt, glaube ich, Bleikolik.

Dr. Schüller: Sie sagten, daß eine Näherin 10 kr. für das Paar bekommt. Wie viel nähen bei Ihnen die Näherinnen täglich? Experte Dobrovojevics: In der Regel 10, 11 Paar; wenn sie sich sehr anstrengen, bringen sie es auch aus 13, 14 Paar.

Vorsitzender: Ist Ihnen bekannt, ob derselbe Lohn auch den Zwischenmeistern gezahlt wird? Exp. Dobrovojevics: Während hier dasAusfertigen" separat bezahlt wird, müssen die Nühanstalten dazu noch das Ausfertigen besorgen. Ueberhaupt sind die Nähanstalten billiger und zahlen auch ihren Arbeiterinnen weniger als die Meister. Ich habe schon erwähnt, daß in der Anstalt, wo das Accordsystem herrscht, 7 kr. per Paar gezahlt wird, während die Leute hier beim Meister 10 kr. be­kommen. Es gibt auch Hausarbeiterinnen, die 12 und 13 kr. per Paar bekommen; die Preise sind eben sehr verschieden.

Vorsitzender: Sind Sie auch über die Bandage n° Erzeugung insormirt? Exp. Dobrovojevics: Nein, ich bin kein Bandagenmacher. Das ist ein separates Geschäft, aber wir sind in Verbindung, weil wir in einer Genossenschaft sind. Aus den Versammlungen ist mir bekannt, daß Collegen geklagt haben, daß auch bei der Baudagen- Erzeugung weibliche Arbeitskräfte verwendet werden. Eine bestimmte Zahl kann ich nicht angeben.

Vorsitzender: Wir schreiten zur Vernehmung von Expertinnen aus der H utma ch erb ran ch e. Wir haben schon seinerzeit von Herrn