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des Gebäcks nicht. Ich habe 35 Filialen; in jeder Filiale ist eine Verkäuferin, die hat das Gebäck und Mehl zu übernehmen und zu verkaufen. Ich habe eine Sorte Brot und drei Sorten Mehl. Da jeder Laib Brot denselben Preis hat, ist die Rechnung eine ziemlich einfache. Die Expedition erfolgt dreimal täglich. Die Verkäuferin bekommt einen Lieferschein und einen Gegenschein, und sie hat zu bemerken, wann der Kutscher bei ihr angekommen ist. Das Abtragen des Brotes u. s. w. besorgt der Kutscher. Die schwerste Arbeit, die die Verkäuferin hat, ist das Einwiegen des Mehles in die Papiersäcke. Jeden Morgen hat sie einen Rapport zu schicken, darauf ist auch eine Rubrik: „Wunsche und Beschwerden." Das Mehl bekommt sie in plombirten Säcken, die direct von der Bahn ihr zugeführt werden. Ein solcher Sack enthält 85 Kilogramm, es werden ihr aber nur 83 Kilogramm angerechnet, damit sie ein Interesse hat, möglichst viel zu verkaufen.
Vorsitzender: Aus welchen Kreisen bekommen Sie Ihre Verkäuferinnen? — Exp. Mendl: Das sind Beamtenswitwen, Beamtens- frauen und auch Arbeiterfrauen. Vielleicht interessirt es die Herren zu erfahren, daß ich im vorigen Jahre 1300 schriftliche Gesuche um solche Stellen bekommen habe. Gewöhnlich sind mehrere Frauen in einem Geschäft beisammen, zum Beispiel zwei Schwestern. Die können dann im Geschäft abwechseln.
Vorsitzender: Sie benützen keine Arbeitsvermittlung? — Experte Mendl: Veränderungen kommen bei mir ja fast garnicht vor. Ich brauche also eine neue Verkäuferin höchstens, wenn ich eine neue Filiale errichte. Bis jetzt ist es nur zweimal vorgekommen, daß ein Posten geändert wurde. Die Filialen habe ich überhaupt seit vier Jahren. Die Arbeitszeit ist eine verschiedene. Die Wagen werden von der Fabrik im X. Bezirk aus expedirt. Es gehen acht bis neun Wagen weg, und jeder hat einen bestimmten Rayon. Die Filialen im X. Bezirk müssen also schon um 4 Uhr aufmachen, dann sperren sie aber wieder zu. Um halb 7 Uhr oder — das richtet sich nach dem Stadttheil — um 6 Uhr wird der Laden geöffnet, in der Stadt erst um ^7 Uhr. Abends werden sie um 9 Uhr gesperrt. Während des ganzen Tages haben die Verkäuferinnen im Geschäfte nicht viel zu thun. Die Einkaufszeit dauert meist bis 10 Uhr. Beiden meisten Filialen ist die Wohnung unmittelbar an das Geschäft anstoßend.
Vorsitzender: Nehmen Sie die Wohnung auf? — Experte Mendl: Ja. Manche hat Zimmer und Küche. Auf der Landstraße hat Eine Zimmer, Cabinet, Vorzimmer und Küche, wie man es gerade findet.
Vorsitzender: In welchem Quantum verkauft sie das Mehl? — Exp. Mendl: Fünf Kilogramm und ein Kilogramm.
Dr. Rauchberg: Wer bezahlt den Zins für die Wohnung? — Exp. Mendl: Ich zahle Alles. Die Verkäuferinnen sind bei mir fix angestellt.
Dr. Otner: Bekommen die Frauen für sich eine gewisse Menge Gebäck frei? — Exp. Mendl: Nein. Jeder Laib Brot kostet 23 kr., ein halber 12 kr. Wir haben nun Betriebe, wo 50 bis 60 Laib Brot aufgeschnitten werden, je nachdem die Bevölkerung ist. Bei einen: halben Laib verdient die Verkäuferin einen halben Kreuzer. Ein Viertel-Laib kostet 6 kr. Beim Mehl ist es auch so. Ein Kilogramm kostet 13 kr., ein halbes Kilogramm 7 kr.
Dr. Schwiedland: Kommt es vor, daß die Eingangsthür des Locals zu gewissen Stunden versperrt ist? — Exp. Mendl: 'Nein, nur an Sonntagen Nachmittags. Ich hätte das Recht, die Geschäfte auch am Sonntag Nachmittags offen zu halten. Ich habe aber, bevor noch die Frage angeregt wurde, schon im Jahre 1893 die Anordnung getroffen, daß gesperrt wird. Ich habe das placatiren lassen, und das Publicnm hat sich dazu verstanden, die Einkäufe am Vormittag zu besorgen.