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aus erster Ehe drei erwachsene Töchter, alle sehr lebenslustig, ihre Be­kannten nennen sie eigentlich vergnügungssüchtig. Die jüngste der Alt- Neudörfer Schloßsräuleins war mit Gertrud in derselben Pensionsanstalt, ist aber ein halbes Jahr früher als diese ausgetreten und hat den Winter hindurch viele Berichte von dem lustigen Leben im Daheim an ihre ehe­maligen Anstaltsgefährtinnen geschrieben, einer dieser Berichte, der erste, soll hier mitgetheilt werden, er lautet wie folgt:

Meine liebe Gertrud!

Heute schreibe ich an Dich, mein Brief ist aber Gemeingut, er gehört allen Freundinnen aus Klasse I.; natürlich nur diesen, denn das untere junge Volk muß bei den Schulbüchern bleiben, darf noch keinen Blick auf die in die Heimath Entlassenen werfen, pi-obatnin est! Ihr aber, die Ihr nächstens auch flügge seid und aus dem Schulnest ausfliegen werdet, um Euch in der Welt zu versuchen, Ihr mögt sehen und hören wie es thut, wenn man fertig geworden ist und endlich alsgnädiges Fräulein" im Salon eine Stimme gewonnen hat, probatem est!

Meine Eltern sind prächtige Menschen! Papachen ist kein Jüngling mehr, aber er ist jung mit der Jugend und Mamachen ist wirklich jung, nur zwei Jahre.älter als Wally, meine älteste Schwester. Wally ist 19 Jahre, Molly ist 18 und ich werde nächsten Monat 17 Jahre. Wir sind drei Grazien, ja, das sagte Papachen lächelnd, als er uns zum ersten Mal in schneeweißen Kleidern mit Rosen geschmückt zugleich im Salon erscheinen sah. Mama ist die Juno oder meinethalben die Venus, ich weiß nicht mit welcher Göttin ich sie vergleichen soll; aber schön ist sie, das ist wahr und sie ist eine reizende Mama, denn sie stellt sich gar nicht feierlich uns gegenüber, sondern ist wie.eine vierte Schwester. Das kommt wohl daher, weil sie eben so gerne tanzt wie ihre drei Grazien, eben so gern ausführt, eben so gern Gesellschaft im Hause empfängt, eben so gern mit den Modejournalen verkehrt und sich eben so sehr freut über schöne Toilette, wie die Alt-Neudorfer drei Grazien. Wir sind ein Herz und eine Seele und Papachen freut sich. Er ist zum Glück reich, denn was man so hört von anderen Vätern, daß sie seufzen über Geldansgaben für die Töchter, das kommt bei uns gar nicht vor, und wir kosten ihm doch eine gute Portion Markstücke, ich sah ihn neulich einmal eine Rechnung be­zahlen in lauter neuem Gold. Ist Dein Papa auch reich, liebe Gertrud? Ich weiß nicht ob Alt-Neudorf und Neu-Neudorf gleichen Werth haben. Aber das ist gleichgültig, Du bist das einzige Töchterchen, Du wirst auch