OTTO

DIE BÖHMISCHE MASCHINEN-INDUSTRIE.

urch James Watts Erfindung der Dampfmaschine im Jahre 1768 wurde eigentlich erst die Gross-Industrie geschaffen, denn die durch dieselben ermöglichten Arbeitsleistungen und Verkehrsschnelligkeiten waren früher völlig unerreichbar. Diese enge Verbindung zwischen dem Maschinenbau und der übrigen Industrie besteht noch heute, und deshalb ist ersterer ein untrüglicher Gradmesser des Wohlbefindens der gesammten gewerblichen Production; sein Aufschwung ist bedingt durch erhöhte industrielle Thätigkeit, ist also deren Wahrzeichen, sein Niedergang aber bedeutet das Darniederliegen der gesammten übrigen industriellen Production.

Begreiflicherweise befand sich der Maschinenbau ursprünglich ausschliesslich in den Händen Eng­lands, und erst allmälig gelangten auch die anderen europäischen Länder in den Besitz dieser Industrie.

Die erste in Oesterreich, und zwar in Böhmen im Anfänge dieses Jahrhunderts (1814) aufgestellte Dampfmaschine war denn auch englischen Ursprungs, von J. Watt in Manchester gebaut; erst ein Jahr­zehnt später wurden in Oesterreich (wieder in Böhmen) die ersten einheimischen Producte dieser Art aufgestellt, und zwar 1824 ein Dampfkessel und 1825 eine Dampfmaschine, beide böhmischer Provenienz.

Wenn auch aus diesen Daten hervorgeht, dass die böhmische Maschinen-Industrie sich schon im Anfänge dieses Jahrhunderts bethätigte, so fällt doch ihre eigentliche Entwicklung erst in dessen zweite Hälfte, weil sie früher durch die geringe Leistungsfähigkeit der Eisenproduction, durch die niedrigen Einfuhrzölle auf fremde Maschinen und durch die gedrückte Lage der Gesammt-Industrie überhaupt zu einer grösseren Entfaltung nicht gelangen konnte.

Erst der nach den Jahren 1848 und 1849 eingetretene Aufschwung des Consums industrieller Erzeugnisse brachte in die österreichische Industrie überhaupt und somit auch in die böhmische Maschinen­industrie ein erhöhtes Leben. Bis dahin hatten in Böhmen nur sieben Maschinenfabriken bestanden, näm­lich diejenigen von Breitfeld, Brosch, Huber, Kubasek, Ringhoffer und Thomas in Prag und Vororten, ferner Haase in Wran.

Dieselben konnten in ihrer damaligen Ausdehnung selbstverständlich dem einheimischen Bedarfe nicht genügen, weshalb eine relativ ziemlich hohe Einfuhr von Maschinen aus dem Auslande stattfand. Die um 1850 eingetretene Entwicklung der böhmischen Rübenzucker-Industrie, der Aufschwung der Berg- und Hüttenwerke und Mühlen brachten jedoch der Maschinenproduction erhöhte Beschäftigung; sie entwickelte sich zusehends und war bald im Stande, alle diese genannten Industrien mit Dampf­kesseln, Dampfmaschinen, Apparaten und Arbeitsmaschinen zu versorgen, so dass die Einfuhr aus dem Auslande auf diesem Gebiete bald nahezu Null war.

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