Leitungsquerschnitte erforderlich, je grösser die elektrische Energie ist, die fortgeleitet wird, und auf je grössere Entfernungen dies zu geschehen hat. Ergibt sich nun das Bedürfnis, ausgedehnte, umfangreiche Consumgebiete von einer einzigen Erzeugungsstätte zu versorgen, und wenn überdies aus öffentlichen Rücksichten die Errichtung dieser Erzeugungsstätte ausserhalb des Consumgebietes verlangt wird; oder wenn beispielsweise entfernt gelegene Wasserkräfte zum Betriebe des Elektricitätswerkes herangezogen werden sollen, dann hätte man bei dem früheren System der Leitungsanlagen und bei der gebräuchlichen elektrischen Betriebsspannung ganz fabelhafte Kupferquantitäten benöthigt, was bei dem hohen Preise dieses Materiales einen ökonomischen Betrieb von vorneherein ausgeschlossen hätte. Es wurde daher bei grösseren und umfangreicheren Anlagen zu höheren Betriebsspannungen übergegangen, um dadurch kleinere Leitungsquerschnitte zu ermöglichen; es musste aber, da für die consumirenden Apparate beträchtlich höhere Spannungen unzweckmässig wären, die Einfachheit des Leitungssystems geopfert werden, womit man von dem Zweileitersystem zu dem Dreileiter-, Vierleiter- und Fünfleitersystem gelangte. Darüber hinauszugehen, ist ohne schädliche Complication des Betriebes nicht möglich.

Dies führte zu dem Auskunftsmittel, im Elektricitätswerke Ströme sehr hoher Spannung zu erzeugen. Diese erfordern zur Fortleitung nur sehr geringe Leitungsquerschnitte, müssen aber an der Verbrauchs­stelle in Ströme niederer Spannung umgewandelt (transformirt) werden. Eine solche Transformation ist jedoch bei Gleichstrom unökonomisch und sehr complicirt; sie erfordert Maschinen, welche einer ständigen, sorgfältigen Wartung bedürfen und die Betriebssicherheit beeinträchtigen.

Die Transformation des Wechselstromes hingegen erfolgt in ruhenden Apparaten (Transformatoren), die compendiös sind und ohne jede Bedienung selbständig, exact und ökonomisch functioniren. Es war also die Nothwendigkeit der Versorgung grosser Consumgebiete und die Ausnützung entfernt gelegener Wasserkräfte, welche die Ausgestaltung des Wechselstromsystems hervorgerufen und gefördert hat.

Bahnbrechend nach dieser Richtung war das Transformatoren-Fernleitungssystem von Zipernowsky-Döri-Bläthy, welches von der Firma Ganz & Co. mit ganz ausserordentlichem Erfolge in die Praxis eingeführt wurde.

Mit dem Fortschritte in der Herstellung verlässlicher Isolationen konnte zu immer höheren Span­nungen geschritten werden, und solcherart gelangte man von einer zehn- und zwanzigfachen Betriebs­spannung zur hundertfachen und darüber. Dadurch ist für die Leistungsfähigkeit von Wechselstromanlagen, soweit dies derzeit für praktische Zwecke erforderlich ist, keine Grenze gesetzt, und können selbst sehr grosse Entfernungen leicht überwunden werden.

Die meist gebräuchliche Anordnung des Transformatorensystems bei Wechselstromanlagen besteht im wesentlichen darin, dass in den Generatoren der Erzeugungsstätte Ströme hoher Spannung (bis zu etwa 5000 Volt) erzeugt werden; diese Ströme werden entweder unmittelbar in das Kabelnetz geleitet, oder, wenn noch höhere Spannungen erforderlich sind, in der Centralstation selbst zunächst auf die gewünschte Höhe hinauf transformirt. An der Consumstelle erfolgt dann wieder die Spannungsver­minderung der Ströme, und zwar entweder ein- oder zweimal, je nachdem der unmittelbar in den Gene­ratoren erzeugte oder ein in die Höhe transformirter Strom zur Verwendung gelangt. Die letzte Transformation auf die Consumbetriebsspannung geht entweder an jeder einzelnen Consumstelle vor sich (System der Einzeltransformatoren), oder sie geschieht an einzelnen Punkten des Consumgebietes, wonach der transformirte Strom in ein secundäres Leitungsnetz geführt wird, welches die Vertheilung der elektrischen Energie niederer Spannung übernimmt und vermittelt (System der Transformator-Unter­stationen). Wie immer aber die Transformatoren angeordnet werden mögen, eine praktische Strom- vertheilung ist nur möglich nach dem vorhin erwähnten Transformatorensystem von Zipernowsky- Deri-Bläthy unter Anwendung der Parallelschaltung der Transformatoren, beziehungsweise Transfor­matorengruppen, da nur in diesem Falle eine selbstthätige Spannungsregulirung bei variabler Belastung erreichbar ist. Die Wechselstromanlagen werden gegenwärtig, soferne sie vorwiegend dem Beleuchtungs­betriebe gewidmet sein sollen, für einphasigen Wechselstrom, soferne sie aber vorwiegend für Kraftbetrieb bestimmt sind, mit Benützung des mehrphasigen Wechselstromes (Drehstrom) eingerichtet.

Die Zahl der in Oesterreich im Betrieb befindlichen Wechselstromanlagen ist in verhältnismässig kurzer Zeit zu einer recht ansehnlichen herangewachsen. Abgesehen von zahlreichen kleinen Anlagen

192