welche einer gestrengen Jury Pianofortes beider Systeme, in- und ausländische Variationen aller Art, vorführten.

Die Claviere der Wiener Meister fanden nicht nur in der Heimat Anerkennung, sondern wurden auch im Auslande so lebhaft begehrt, dass sich sogar deutsche Instrumentenmacher fanden, welche, ver­lockt durch gewinnsüchtige Händler, ihre minderwerthigen Erzeugnisse mit Wiener Marken ausstatteten.

Gegen Ende der Vierzigerjahre, nach Auflösung der von Künstlern und Dilettanten sehr geschätzten Clavierfirma Conrad Graf, traten zwei Namen mehr in den Vordergrund, indem von da an fast aus­schliesslich ihre Claviere im Concertsaale gespielt wurden. Es war die alte Firma Seuffert und das junge Haus Bösendorfer.

Die Londoner Ausstellung im Jahre 1851 gibt dem Juror, Professor Josef Fischhof, Anlass zur Herausgabe eines Buches (1853), welches ein ziemlich getreues Bild der Leistungsfähigkeit der Clavier- industrie aller Länder zu Beginn der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts bietet. Nach seinen Mittheilungen steht England quantitativ obenan, während Frankreichs Aufschwung unter der Führung der Firma Erard und dank der vielen lehrreichen und fruchtbaren Experimente des ruhelosen Pape constatirt wird. Die deutschen Claviermacher, welche jedoch auf dieser Ausstellung nur eine untergeordnete Rolle spielen, haben sich von der Sehröterschen Mechanik schon vollzählig abgewendet, wahrscheinlich unter dem Drucke der französisch-englischen Concurrenz, die nur das System des Italieners Cristofali cultivirte.

Auf dieser Ausstellung ist England durch 42 Clavierfirmen mit 77 Instrumenten vertreten, unter denen die Pianos der alten Clavierhäuser Broadwood und Collard hervorragend sind. Frankreich sandte 50 Claviere von-21 Werkstätten zur Ausstellung, Erard und Pape an der Spitze. Deutschland stützt sich auf das alte Stuttgarter Haus Schiedmayer und bringt 24 Claviere aus ^verschiedenen Fabriken. Amerika macht mit seinem besten Namen Chikering Staat und stellt 11 Claviere auf. Das im öffentlichen Auftreten stets bescheideneOesterreich bringt nur fünf Aussteller mit je einem Instrument nach England.

Unter diesen fünf Muthigen finden wir die fünf Generationen alte Clavierfamilie Seuffert und den erfindungsreichen Hoxa. 1851 gab es auf dem internationalen Kampfplatze weder einen Bechstein oder Blüthner aus Deutschland, noch einen Steinway aus New-York, noch endlich einen Bösendorfer aus Oesterreich, welche vier Namen heute, am Schlüsse des XIX. Jahrhunderts, jeder in seiner Weise, nicht nur die führenden in ihrer Heimat sind, sondern auch für Künstler und Publicum internationale Bedeutung haben.

Unter Bezugnahme auf die Londoner Ausstellung und das Ueberwiegen der englischen Mechanik macht Franz Brendel in seiner 1852 erschienenen Geschichte der Musik folgende Bemerkung:,

«Was Pianoforte betrifft, so strebte man zugleich nach immer grösserer Massenhaftigkeit, nach immer grösserer Fülle des Tones. Die früheren Wiener Instrumente besassen einen noch ziemlich kleinen, etwas spitzen, aber überaus poetischen Ton. Jetzt sind die Instrumente mit englischer Mechanik zur Herrschaft gekommen; hier ist der Ton grösser, voller, aber zugleich auch prosaischer. Dem Charakter der Instrumente entsprechend, hat sich das Spiel verändert; wir haben jetzt eine orchester- mässige Behandlung des Pianofortes, die Hauptsache ist, einen möglichst starken Ton herauszuschlagen. Es sind ausserordentliche Fortschritte gemacht worden, aber diese waren zugleich nicht frei von noth- wendig damit verbundenen Rückschritten. Der echte, gesunde Pianoforteton ist seltener geworden . . .»

Eine so warmherzige Aeusserung eines Ausländers über das Wiener Clavier durfte nicht ungehört vorüberziehen an den Werkstätten jener Claviermacher, die zwar mit offenen Augen die Fortschritte der ganzen Welt verfolgten, aber das Wiener Clavier, für sie gleichbedeutend mit Wiener Wesen, in ihr Herz geschlossen hatten. Es sollte für sie ein Wink sein, das Gute und Bewährte nicht nur zu erhalten, sondern auch weiter auszubilden. Und in der That ist das Wiener System in der Zeit von 1848 bis heute nicht zurückgeblieben. Alle geeigneten Veränderungen und Verbesserungen wurden diesem System angepasst, und mit der Zeit wurde für Oesterreich nicht nur eine Specialität herangebildet, sondern ein Instrument aufgestellt, welches seine Vorzüge neben den Vorzügen des stolzen internationalen Fortepianos zur Geltung bringen kann.

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