PIANOFORTE-BAUGESELLSCHAFT SCHANDL & C2
TRIEST.
oll- und gleichwerthig steht heute die österreichische Clavier-Industrie neben der amerikanischen und englischen da, deren Producte einst den Weltmarkt beherrschten. Aus eigener Kraft ist dieser Zweig der heimischen Industrie das geworden, was er heute bedeutet, seitdem es durch das Aufkommen des sogenannten Wiener Systems in der Mitte der Zwanzigerjahre unseres Jahrhunderts den einheimischen) Fabrikanten möglich wurde, Pianofortes zu erzeugen, die, befreit von allen damaligen Mängeln, sich durch besondere Tonpracht auszeichnen. Alte Firmen, deren Flügel in allen Ländern Eingang gefunden haben, schufen durch die mit grösstem Fleisse betriebene Pflege dieses Systems das heutige Ansehen der österreichischen Clavier-Industrie, deren Production bereits eine stattliche Ziffer erreicht hat. Bei einer solchen Sachlage in die Reihe der so bedeutenden Industriellen einzutreten und die Gründung eines neuen Unternehmens zu wagen, dazu gehörte Muth und Entschlossenheit, insbesondere bei beschränkten Mitteln. Diese Energie hat sich bei Gründung der obgenannten Firma bewährt.
Die «Pianoforte-Baugesellschaft Schandl & Co.» hat sich im wahren Sinne des Wortes aus den kleinsten Anfängen entwickelt. Dieselbe eröffnete im Jahre 1895 den Betrieb, der unter der Leitung eines thatkräftigen Mannes, Rudolf Warbinek, in kurzer Zeit überraschende Resultate erzielte. Mangel an nöthigem Capitale wirkte anfangs hemmend auf den gedeihlichen Aufschwung ein, allein da die Zeitverhältnisse günstig und die Anfänge des Unternehmens vielverheissend waren, fand sich bald die nothwendige Capitalskraft. Die trefflichen Erzeugnisse des neuen Etablissements gewannen allmählich einen ziemlichen Kundenkreis, die Bestellungen häuften sich und nahmen schliesslich einen solchen Umfang an, dass es der Firma bei ihren engen Productionsverhältnissen oft unmöglich war, allen Aufträgen in so prompter Erledigung nachzukommen, wie sie es gern gewollt hätte.
Am Ende des ersten Geschäftsjahres war ein ansehnlicher Reingewinn zu verzeichnen, den die Firma sofort zum Ankäufe grösserer Quantitäten von Rohmaterial verwendete, um für den Bau ihrer Instrumente nur gutes und abgelagertes, absolut trockenes Holz zu verarbeiten. Da dieses Geschäftsverfahren auch für die nächsten Jahre beibehalten wurde, so besass die Firma bis vor kurzem ein Lager von Rohstoffen, das die Production proportioneil behveitem übertraf.
Sobald der erste schwere Anfang glücklich überstanden war, begann für das Unternehmen die Zeit des Blü- hens und der vollen Kraftentfaltung, und die junge Firma hofft, dass diese Periode lange währen wird, da sie bei strenger Wahrung der Grundprincipien: Reellität und Solidität auch weiterhin nur Erzeugnisse von bester Qualität auf den Markt zu bringen gedenkt. Der Umstand kommt dem Unternehmen sehr zustatten, dass die Firma- theilhaber selbst technisch mitthätig sind, wodurch sich die Regiekosten namhaft verringern, andererseits aber die Güte der erzeugten Instrumente infolge der grossen Sorgfalt und Liebe, mit der die Theilnehmer ihre Arbeit verrichten, nur gehoben wird.
Als das Unternehmen gegründet wurde, bestanden die Betriebsstätten aus mehreren kleinen Zimmern, in denen die ersten Claviere erzeugt wurden. Für die wachsende Production wurden diese Räume zu eng, weshalb entsprechende Vergrösserungen vorgenommen werden mussten. Jetzt ist die Fabrik in der via Cavana Nr. 8 in einem Anbaue untergebracht, der zwei Stockwerke umfasst und zweckdienlich eingerichtet ist. Darin befindet sich auch ein eleganter Salon von grosser Ausdehnung, in dem zu gleicher Zeit 80 Claviere Aufstellung finden können. Der Salon ist dem Publicum allgemein zugänglich und gewährt dadurch Gelegenheit, sich von der Qualität der von der Firma hergestellten Instrumente zu überzeugen.
Die «Pianoforte-Baugesellschaft Schandl & Co.» ist heute im Stande, bei forcirter Arbeit und flotter Geschäftsabwicklung per Monat 25—3o Instrumente in den Handel zu bringen. Der Kundenkreis hat sich im letzten Jahre über Istrien hinaus ausgedehnt, und die Gesellschaft liefert nach kaum vierjährigem Bestände bereits überseeisch sowohl nach Dalmatien als auch nach Aegypten und dem Orient. Darin liegt gewiss ein Beweis von der Trefflichkeit ihrer Fabrikate, der dem jungen Unternehmen zu grosser Ehre gereicht und demselben eine bedeutungsvolle Zukunft verheisst.
Die Gross-Industrie. III.
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