Gleichzeitig mit der Einführung der Kipsledergerbung wurden andere Oberlederartikel, nämlich die Rosslederfabrikate, als Specialität in Angriff genommen. Die Rosshaut war bis dahin ein sehr verachtetes Material, welches nur zu ganz untergeordneten Zwecken verarbeitet wurde. Nachdem es in Dänemark und Norddeutschland gelungen war, aus der Rosshaut einen werthvollen Artikel, nämlich die Rosspiegel, her­zustellen, wurde die Verarbeitung dieses Materials allgemeiner und nahm ihren Weg auch nach Oesterreich. Zwar fand die daselbst anfänglich erzeugte Spiegelwaare wenig Anklang, hauptsächlich darum, weil die in Oesterreich beliebte Gerbung mit Fichtenrinde für diesen Artikel nicht passte, doch brillirte die öster­reichische Gerberei bald in der Herstellung des Rosschuhleders, welches aus einem anderen Theile der Rosshaut als die Spiegel hervorgeht. Man lernte dann auch die Spiegelwaare richtig gerben, welche bald zu einem lohnenden Exportartikel wurde. In der Verarbeitung von Rossleder zeichneten sich aus D. Kreit- ner in Hohenbruck, Seykora, Klinger in Reichenberg, die Trebitscher Fabriken M. Hassak und Suback, später Carl Budischowsky in Trebitsch und A. Flesch in Brünn, in den Neunzigerjahren auch die Leder­fabrik von Gerhardus & Flesch in Wien. Die Rosspiegelfabrication führte ferner zur Einführung der aus­geschnittenen Artikel für Schuhobertheile aus diversem Oberledermaterial, darunter auch aus inländischem Juchten, um welche Verfahren sich Jos. Seykora in Adler-Kosteletz besonders verdient machte.

Als neu in der Unterledergerberei erschienen in diesem Zeiträume die Fichtenterzen, welche in den Alpenländern als Surrogat für die aus Frankreich, Belgien und Deutschland importirten Vacheleder für Frauenschuhe mit Fichtenrinde gut gegerbt und entsprechend appretirt wurden. E. Janesch in Klagen- furt gab hiezu den Anstoss und auch die Anleitung.

In Böhmen wurden durch J. Honig in Aussig die südamerikanischen Wildhäute, welche ein vor­zügliches Rohmaterial für Sohlleder abgeben, für die Erzeugung der böhmischen Fichtensohlleder eingeführt. Dieses Rohmaterial wurde zwar schon um das Jahr 1820 in Wien in der Sohlledergerberei benützt, doch später wieder fallen gelassen und daselbst nie mehr angewendet. In Böhmen hat es sich bis zum heutigen Tage behauptet und wurde daran zeitweilig viel Geld verdient.

Nachdem in den Siebzigerjahren das alaungahre Zeug- und Geschirrleder schon ganz verschwunden war und an dessen Stelle grossentheils importirtes lohgahres Geschirrleder trat, schenkte man auch diesem Artikel einige Aufmerksamkeit in inländischen Gerbereien, insofern als man solches Leder nebenbei erzeugte. Das Unzulängliche einer derartigen Fabrication einsehend, unternahmen es einige Gerbereien, sich auf Blankleder als Specialität zu werfen, um darin Vollkommenes zu leisten. Als solche Bahnbrecher für feineres inländisches Geschirrleder aus jener Zeit sind Christof Neuner in Klagenfurt und Franz Woschnagg in Schönstein in Steiermark namhaft zu machen, welche diesen Artikel bis in die neueste Zeit in angemessener Vollendung als Specialität pflegten. Auch für das Treibriemenleder war in den Siebzigerjahren die Zeit grosser Nachfrage, aber auch gesteigerter Ansprüche gekommen. Obwohl schon in den Fünfzigerjahren von Jauernig in Wilhelmsburg mit aller Macht die Herstellung von Treib­riemen und des dafür nöthigen eichenlohgahren Leders unternommen wurde, entwickelte sich die Erzeugung des so viel begehrten und grossentheils importirten Treibriemenleders nur sehr langsam, und dies erst in den letzten Jahrzehnten. In der Berichtsperiode standen Christof Neuner in Klagenfurt, Kurer in Bregenz und L. Handl in Leobersdorf als Specialisten in Treibriemen obenan.

Die grossen Importe amerikanischer Hemlocksohlleder und englischer Büffelsohlleder in der zweiten Hälfte der Siebzigerjahre veranlassten die österreichischen Leder-Industriellen zur Herstellung ähnlicher Leder­sorten, speciell der Büffelleder im Wege der Extractgerberei, mittelst welcher solche in iMnerika und England gegerbt wurden. Wenngleich in einzelnen Gerbereien schon früher Gerbstoffextracte benützt wurden, z. B. bei Ed. Janesch in Klagenfurt, Carl Budischowsky in Trebitsch, so wurde für diese Art Gerbung doch erst durch die amerikanisch-englischen Importe, welche sich für die heimische Sohlledergerberei in äusserst unan­genehmer Weise fühlbar machten, ein nachhaltiger Anstoss gegeben. Die Firma Gerhardus, Flesch & Comp, in Wien war die erste, welche 1879 e i ne Fabrik nach englischem Systeme für Büffelledererzeugung errichtete und dann vielfach Nachahmung fand. Die Firma Carl Budischowsky & Söhne in Trebitsch hatte gleichfalls in ihrer Fabrik eine neue Abtheilung für die Gerberei nach englisch-amerikanischem Systeme mit Extract- gerbung eingerichtet, wie denn die letztere im Verlaufe des folgenden Jahrzehntes in den verschiedensten Modificationen wie es eben Umstände und Zweck erheischten, in den Fabriken zur Annahme eelansde