Schluss, eine kleine Veränderung der Form, eine andere Färbung der Metallbestandtheile oder die Application geschmack- und stillos gravirter plumper Beschläge genügte, um das Fabrikat eines Eta­blissements zugkräftig zu machen. Die Zeit einer so naiven Genügsamkeit ist vorüber; vielleicht auch deshalb, weil in der Richtung solcher Variationen nichts Neues mehr geboten werden kann. Das Publicum ist aber auch des rohen, sinnlosen Naturalismus müde geworden, der die Ausschmückung der Leder- galanteriewaaren während einer gewissen Epoche beherrschte, und seit länger als 15 Jahren ist es fast ausschliesslich die Kunst, aus welcher der Decor dieser Erzeugnisse geschöpft wird. Zuerst waren es die Werke der grossen Meister der Gegenwart, welche in künstlerisch ausgeführten Reliefbildern auf den Producten der Ledergalanteriewaaren-Fabrication reproducirt wurden, und als die Mode vom figu- ralen Schmucke zum ornamentalen iibergieng, wu?de in Ermanglung einer eigenen Stilrichtung unserer Zeit zurückgegriffen auf alles, was die Vergangenheit uns bietet. So kommt es, dass die künstlerischen Formen, in welchen die Welt ihrem Denken und Fühlen seit dem 11. Jahrhunderte Ausdruck gegeben hat, nun in nicht ganz 15 Jahren zeitweise zum Leben erweckt und wieder begraben wurden, und dass wir in den Producten der letztvergangenen Zeit in chronologischer Ordnung dem romanischen und gothischen Stile, der Früh- und Spätrenaissance, dem Rococo, dem Stile Louis XVI. und des Empire begegnen. Jetzt, an der Neige des Jahrhunderts, steht das Kunstgewerbe und damit die Ledergalanterie- waaren-Fabrication unter dem Zeichen der Secession, der modernen Kunst, des Art nouveau oder des New style, wie da und dort der Ausdruck des künstlerischen Empfindens der heran wachsenden Gene­ration genannt wird. Ob es der Uebergang zu einem neuen Stile, ob es nur eine ephemere Mode ist, die vor uns liegt, ist fraglich. Interessant aber bleibt es, dass dieses Mal der Einfluss des fernen Ostens auf seinem Wege um die Welt vom Westen aus zu uns gekommen ist.

Das kaufende Publicum, dessen Geschmack sich übrigens von Jahr zu Jahr verfeinert und ver­edelt, bleibt in erster und letzter Linie durch seine Haltung für die Richtung der Luxuswaarenbranche maassgebend, und es wird durch die Aufnahme oder Ablehnung des ihm Gebotenen auch fernerhin bestimmend auf den ästhetischen Werth der Producte des Kunstgewerbes Einfluss nehmen.

Zurückschauend auf die Regierung Sr. Majestät des Kaisers Franz Josef I., erblicken wir allerorts ein reiches Feld grundlegender Arbeit, höheren Schaffens, blühender Entwicklung und fruchtbaren Gedeihens. Das rege Interesse, die stete Antheilnahme, die Förderung und Fürsorge, deren sich Kunst und Gewerbe, Handel und Industrie vonseiten unseres gütigen Monarchen in so reichem Maasse zu erfreuen hatten, sind nicht in letzter Linie die Factoren, denen wir es zu danken haben, dass Oesterreichs Industrie ihren Achtung gebietenden Platz im Wettbewerbe der Nationen einnimmt. Möge es dem Volke, das Kaiser Franz Josef I. aus der Niederung auf diese Höhe geführt hat, noch eine lange Reihe von Jahren vergönnt sein, vereint mit seinem geliebten Herrscher weiterzubauen an dem mächtigen Gebäude seiner wirth- schaftlichen Entwicklung, getreu dem Wahlspruche seines erhabenen Monarchen:

«Viribus u n i t i s !»

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