ACTIEN-LEDERFABRIK

RZESZÔW (GALIZIEN).

n Rzeszöw, einer mittelgrossen galizischen Stadt, bestand seit dem Anfänge der Achtzigerjahre eine Vereinsgerberei, die der Nachfrage nach Leder und Lederartikeln aus Stadt und nächster Umgebung eben Genüge zu leisten vermochte. Die günstigen örtlichen Verhältnisse Hessen bald eine Erweite­rung des Etablissements als vortheilhaft erscheinen, welche indes zur Voraussetzung hatte, dass das ganze Unternehmen auf eine breitere Basis gestellt würde. Zu diesem Zwecke löste die Vereins­gerberei im Jahre 1895 ihre Thätigkeit auf, und die früheren Mitglieder der Gesellschaft im Vereine mit neuen Inter­essenten constituirten sich als eine Actiengesellschaft mit einem gezeichneten Stammcapital von 100.000 fl., welches in 5 00 Actien ä 200 fl. emittirt wurde.

Mit 1. Juli 1895 war die Umwandlung der Vereinsgerberei in eine Actiengesellschaft vollzogen und der erste Verwaltungsrath gewählt, der aus folgenden Personen bestand: Stanislaus Ritter v. Jedrzejowicz, Obmann des Be­zirksausschusses, Dr. Johann Graf Drohojowski als Vertreter der Landesbank, Dr. Rodryk Als, Landesadvocat, Ladislaus Ritter v. Jedrzejowicz, Grossgrundbesitzer, Josef Kellermann, Grossgrundbesitzer, Arnulf Nawratil, Gewerbe­inspector, Roman Graf Potocki, Ordinatsherr, Boleslaw v. Zardecki, Landtagsabgeordneter, Dr. Victor v. Zbyszewski, Landtagsabgeordneter. Zum Präsidenten wurde Stanislaus Ritter v. Jedrzejowicz, zu dessen Stellvertreter Dr. Johann Graf Drohojowski und in den Revisionsausschuss Philipp Sambra Kahane, Director der gräflich Potockischen Ordinatsgüter, Rudolf Menerka, Director des Vorschuss- und Creditorenvereines, Leon Kozakiewicz, Buchhalter der Landesbank, gewäjilt. Die Leitung des Unternehmens wurde Ignaz Wurm, dem bewährten tüchtigen Leiter der früheren Vereinsgerberei, und Kasimir Dyszkiewicz als Directoren anvertraut.

Der neue Verwaltungsrath gieng sofort an seine Aufgabe, das Etablissement von Grund auf neu einzurichten, es mit Maschinen und Apparaten neuester, bester Form auszustatten, und die Production nach den bewährtesten Mustern zu regeln, um sich so mit Aussicht auf Erfolg in den Concurrenz- kampf einlassen zu können. Hatte sich schon die bestandene Ver- einsgerberei mit ihren unzureichenden Mitteln dem englischen und französischen Verfahren anschliessen müssen, um ihre Artikel so billig wie möglich herzustellen, so musste der neue Verwaltungs­rath umsomehr auf die möglichst hohe Vollendung der technischen Einrichtung der Fabrik bedacht sein, als er mit seinen Erzeugnissen gegen das ausländische Product in die Schranken treten wollte.

So kamen denn in der Rzeszöwer Lederfabrik vorzügliche Maschi­nen Wiener Provenienz für die Erzeugung und Appretur zur Auf­stellung; die alten Steinmühlen wurden abgeschafft, und an ihre Stelle gelangten Schleudermühlen zur Verwendung, durch welche das Verkleinern der Gerbstoffe in weit zweckmässigerer Weise vor­genommen werden konnte. Die allgemein eingeführte Schnell­gerberei wurde gleichfalls in den Bereich der Thätigkeit der neuen Fabrik aufgenommen und durch Installirung trefflicher Apparate der bei diesem Vorgang leicht eintretenden Verschlechterung der Waare vorgebeugt; das gegen­wärtig hiebei geübte Verfahren ist ein sehr praktisches und stützt sich auf die Erfahrungen der Wissenschaft. Um den Fabrikaten auch ein vortheilhaftes Aeusseres zu geben, wurden zweckentsprechende Appreturmaschinen ein­geführt, die sich bis heute auf das vortheilhafteste bewähren.

Die Rzeszöwer Actien-Lederfabrik producirt imprägnirte Maschinenriemen aus Ochsencrupons, Leder-Glieder­ketten, Riemen, braunes Juchtenleder, fettgares Leder, Bind- und Näheriemen, Blankleder, Sohlenleder, sowie Kolben­leder für Vacuumcylinder.

Die an die Neugestaltung der Fabrik geknüpften Hoffnungen erfüllten sich schon im ersten Jahre des Be­standes; es konnte nämlich an die Actionäre eine Dividende von S 1 ^ 0 ^ (h fl. pro Actie) ausgezahlt werden.

Im Jahre 1897 steigerte sich die Dividende auf 8 °/ 0 (16 fl. pro Actie). Unter diesen günstigen Verhältnissen wurde das Actiencapital um 5o°/ 0 , sohin auf 150.000 fl. erhöht; im Jahre 1898 ergab sich eine Dividende von 9°/ 0 (18 fl. pro Actie), und in Folge dessen wurde das Actiencapital abermals um 50.000 fl. vermehrt, so dass dasselbe jetzt 200.000 fl. beträgt. Das Etablissement nahm nun in seine Production auch die Erzeugung von Maschinenriemen auf, die sich bei den canadischen Tiefbohrungen der Naphta-Unternehmungen vorzüglich bewährt haben. Ausserdem wurde die Extractgerberei eingeführt.

Die Actien-Lederfabrik Rzeszöw erhielt für ihre Fabrikate als Auszeichnung das Ehrendiplom des k. k. Handelsministeriums.

Die Gross-Industrie. III.

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