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in allen Teilen vollkommen übersehen konnte. Außer dem Haupteruptionskanal stellte ich noch zwei weitere, senkrecht in die Tiefe gehende Schlote fest, die gleich ihm in der ländlich verlausenden Terrasse (also nicht im eigentlichen Kraterboden) ausgesprengt sind und ebenfalls schwach rauchten."
Während der ganzen Zeit seines Aufenthaltes am Namlagira wurden von Kirschstein die meteorologischen Verhältnisse genau registriert, eingehende Untersuchungen über das Verhalten der parasitären Krater angestellt, ihre Form und Sage kartographisch festgelegt, sowie eine Ueihe weiterer Arbeiten ausgeführt. Zu letzteren bot sich namentlich in dem jungen Lavaselde südlich vom Namlagira mit seinen mannigfachen Erscheinungsformen des Vulkanismus reiche Gelegenheit. Neben charakteristischen Schlackenschornsteinen, sogenannten „Hornitos", und den merkwürdigen Lavamänteln verkohlter Baumstämme erregte hier besonders ein sehr typischer und in mancher Hinsicht lehrreicher, 155 m langer Lavaschlauch unsere Aufmerksamkeit. Derartige Lavaschläuche entstehen bekanntlich dadurch, daß der Lavastrom oberflächlich rasch erkaltet, während sein glutflüssiges Innere unter der erstarrten Decke weiterfließt, bis diese schließlich als ein oft kilometerlanger hohler Schlauch zurückbleibt. In dem von uns beobachteten Falle (s. die Abb. auf S. 263) war das letzte Stück des Lavaschlauches noch völlig intakt und endete mit einer offenen Höhle. Weiter oberhalb war die Decke jedoch eingebrochen, so daß der Schlauch in diesem Teile eine von nach 80. geradlinig verlaufende, bis zu 4 m breite und 17 m tiefe Lavaspalte bildete. Ls fragt sich, ob nicht ein großer Teil der in anderen Vulkangebieten beobachteten und gewöhnlich als Folge tektonischer Vorgänge gedeuteten klaffenden Lavaspalten in der gleichen Weise entstanden ist.
Endlich möchte ich noch ein weiteres allgemein interessantes Ergebnis der Arbeiten Kirschsteins in dem Gebiete des Namlagira hervorheben. Es ist ihm nämlich gelungen, in der Umgebung dieses Vulkans eine Neihe jener primitivsten Kußerungsformen der vulkanischen Kräfte aufzufinden, die Geheimrat Bianca zuerst aus dem Gebiete von Urach in Schwaben genauer beschrieben und unter dem treffend gewählten Namen „Vulkan-Lmbryonen" in die Wissenschaft eingeführt hat. Ls sind dies steil- wandige, oft nur einen Meter breite, schußartige Lruptionskanäle, die durch eine einmalige Explosion der im unterirdischen Herde vorhandenen Gase in der äußeren Erdrinde ausgeblasen wurden, ohne daß es über dem Schlote zur Anhäufung von losem oder festem Auswurfsmaterial, mithin zur Bildung