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Über die Durchstechnung der Landenge von Suez : Vortrag gehalten in der Sitzung der philosophische-historischen Classe der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften vom 8. Jänner 1858 / Karl von Czörnig
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für die Industrie und den Genuss unentbehrlichen reichen Producte des Ostens. Ein Hinderniss, seit Jahrhunderten als unüberwindlich betrachtet, stellt sich ihm entgegen: es sind dies die geschlossenen Thore des Isthmus von Suez, vor welchen dreihundert Millionen civilisirter Menschen ängstlich des Augenblickes harren, wo sie mit den jenseits derselben lebenden sechshundert Millionen der Cultur zu gewinnenden Bewohnern der an Erzeugnissen überreichen Länder des Ostens, in unmittelbaren geraden Verkehr treten können. Da erscheint die Wissenschaft, im Gefolge des aufgeklärten Unterneh­mungsgeistes, und verkündet, dass sie die Mittel gefunden hat, die Hindernisse zu bewältigen, die Thore zu öffnen, und den ununter­brochenen Seeweg aus dem mittelländischen in das arabische Meer, wie ihn einst die Natur gebildet, wieder herzustellen. Darf es Wunder nehmen, wenn diese frohe Kunde die Welt mit Jubel erfüllt, und wenn Alle sich bemühen, den Zeitpunct, an welchem die letzten Schranken des ungehemmten Verkehres zwischen der westlichen und östlichen Hälfte der alten Welt fallen werden, möglichst bald herbei­zuführen? Nicht der Einzelne ist es, der dieses welthistorische Werk unternimmt und durchführt, es ist der Culturfortschritt der Menschheit, es ist der Geist der Zeit, welcher geleitet von den Erfahrungen, dem Wissen und dem energischen Willen der Völker der civilisirten Welt, an die morsche Pforte klopft, damit sie sich der hoffnungsvollen Zukunft einer innigeren Verschmelzung der Völker öffne. Und wo gäbe es eine Macht, die sich diesem über­wältigenden Drange der höchsten Interessen der Menschheit auf die Dauer erfolgreich zu widersetzen vermöchte?

Von den vier Haupthandelswegen, welche im Alterthume aus den östlichen Ländern Asiens nach Europa führten, von Samarkand über das kaspisehe Meer an den Pontus, vom persischen Meerbusen über das Euphrat-Thal zu den syrischen Häfen einerseits und an den Pon­tus andererseits, vom rothen Meere über Ägypten und namentlich über die Landenge von Suez war der letzte Weg der geradeste, kür­zeste und desshalb bei ungestörtem Verlaufe des Handels der besuch­teste. Die Störungen des Verkehrs durch innere Kriege und der Fortschritt der nautischen Wissenschaft, welcher zur Entdeckung des Seeweges um das Cap führte, lenkten diesen Handel in andere Bah­nen. Obwohl derselbe durch die Benützung des ununterbrochenen Seeweges einen ausserordentlichen Aufschwung nahm, und an die