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Über die Durchstechnung der Landenge von Suez : Vortrag gehalten in der Sitzung der philosophische-historischen Classe der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften vom 8. Jänner 1858 / Karl von Czörnig
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grösseren Absatz, die Schätze der ganzen Welt strömten in dem über­reichen und vielbeneideten Venedig zusammen und der Abfluss der­selben verbreitete sich über alle mit diesem Centralsitze des indischen Handels in Verbindung stellenden Plätze, namentlich in die süddeut­schen Städte und in jene der norddeutschen Hansa. Die Kreuzziige, diese Culturscheide der älteren und der neueren Geschichte, wären nie möglich geworden, wenn nicht die venetianischen Schiffe die Kreuzritter nach den östlichen Gestaden getragen und die venetiani­schen Geldmittel die Ausrüstung bezahlt hätten. Es mag unerörtert bleiben, wie viel die romantische Sehnsucht nach den fabelhaften Schätzen des Ostens zur Ausführung dieser Züge mitgewirkt hat; gewiss ist, dass die rückkehrenden Kreuzfahrer den Geschmack und die Vorliebe für die kostbaren, auf Genuss und Lebensverschönerung gerichteten indischen Erzeugnisse allgemein verbreiteten. Der Drang, in den Besitz dieser Güter zu gelangen und sich dem drücken­den Monopole der Venetianer zu entziehen, veranlasste die Versuche des Columhus, Diaz und Vasco de Gama, einen directen Seeweg nach Ostindien aufzufinden, wodurch eine vollständige Umkehr der Welt­lage herbeigeführt wurde. Bald war Lissabon, nach Auffindung des Seeweges, das Emporium für die indischen Waaren, welche in drei­fach grösserer Menge als früher und um den dritten Theil des vori­gen Preises auf den europäischen Markt gelangten. Es erregt Er­staunen, wie ein so kleines, kaum 1 y a Millionen Bewohner umfassendes Reich wie Portugal so grosse Flotten auszurüsten, eine solche Kette von kostspieligen Ansiedelungen von der Südspitze Afrikas längs dessen Ostküste, in Arabien, Persien, Ostindien bis nach China anlegen und unterhalten konnte, und das Staunen wird nicht geringer, wenn man erfährt, dass diese Kosten lange Zeit durch den Ertrag des Pfefferhandels bestritten wurden, dessen Alleinbetrieb sich die Regierung Vorbehalten hatte. Doch traten bald andere nicht minder unternehmende Nationen in Mitbewerbung und schöpften nach ein­ander an dem nie versiegenden Borne des indischen Handels, welcher den Holländern die Mittel gewährte, sich gegen den mächtigen Staat von Spanien zu vertheidigen, welcher Frankreich bereicherte und dort den Unternehmungsgeist weckte und welcher England zu dem Besitze von Ostindien führte und dadurch zu jener Höhe der unbe­strittenen Handelsmacht erhob, die den charakteristischen Zug der Verkehrsgeschichte unserer Tage bildet.