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Über die Durchstechnung der Landenge von Suez : Vortrag gehalten in der Sitzung der philosophische-historischen Classe der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften vom 8. Jänner 1858 / Karl von Czörnig
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Welche Einwirkung wird nun voraussichtlich die Eröffnung des Suez-Canals auf den heutigen indischen Handel, der zugleich den chinesischen in sich scldiesst, äussern? Dass es eine wesentlich an­dere sein werde, als in den Zeiten des Mittelalters, ist durch die veränderten Umstände begründet, denn es handelt sich nicht mehr um die Aufstellung eines Monopols, eben so wenig als um den Trans­port von wenig in das Gewicht fallenden Specereien, Edelsteinen, Perlen und anderen kostbaren Waaren, welche fast den ausschliess­lichen Gegenstand des früheren indischen Handels bildeten.

Gleichwie im Alterthume und im Mittelalter das mittelländische Meer der Schauplatz des Welthandels war und den indischen Verkehr ausschliessend an sich zog, lind gleichwie den Mittelmeer-Staaten die atlantischen Seestaaten in dem fast exclusiven Betriebe dieses Handels nachfolgten, so wird eine gleichmässige Concurrenz aller Nationen, an welchem Gestade sie immer wohnen mögen, in dem indischen Verkehre die erste Folge des eröffneten Suez-Canals sein, und die­jenige wird den meisten Vortheil daraus ziehen, welche die unter­nehmendste, thätigste ist, und sich mit dem geringsten Gewinne begnügt. Ebenso wird an die Stelle weniger, kostbarer Artikel dem Bedürfnisse der Gegenwart entsprechend, der Massen-Transport wohlfeiler, aber zum allgemeinen Gebrauche dienender Erzeugnisse treten, und jene Nation wird die andere überflügeln, welche die grössten Massen von Erzeugnissen zu liefern und abzunehmen im Stande ist. Bisher war ein geordneter Massentransport im Verkehre mit dem östlichen Asien nicht möglich, weil die beiden Bedingungen hierzu, Regelmässigkeit und Wohlfeilheit, fehlten und immer fehlen werden, so lange die Schiffe die lange und stürmische Reise um das Cap machen müssen.

Erst durch den Suez-Canal kann diese Regelmässigkeit und Wohlfeilheit erzielt werden, und so findet auf diese Wasserstrasse die Behauptung des grössten Nautikers unserer Zeit, des Amerikaners Maury, ihre Anwendung:In der Abkürzung der Fahrt besteht der Hauptfortschritt der Schifffahrt; diese Beschleunigung, durch welche die fernen Inseln und Handelsmärkte für die Kauffahrer um viele Fahr­tage näher an einander rücken, ist und bleibt der wichtigste und grossartigste Fortschritt für ein Volk mit praktischem Sinne. Die Vermehrung des Verkehrs und die Rückwirkung desselben auf die ausgedehntere Cultivirung der weiten Länderstrecken Ostindiens