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eingeführt. Wäre es wirklich unmöglich, Ähnliches auch bei uns zu erreichen, oder liegt es an dem leidigen „Beharrungsvermögen", an den mangelnden Mitteln oder in der Eigenart unserer Bevölkerung, dass nichts geschehen kann? Diese letztere stünde in einem beklagenswerten Gegensatze zu der Lebensauffassung, die sich anderwärts zeigt und in dem Urtheile zusammengefasst wurde: „Die Erkenntnis hat sich schon Bahn gebrochen, welche ungeheure Bedeutung die gebildete Pflegerin für den Arzt hat, und wie wenig seine Kunst vermag, wenn sie nicht in der intelligenten Pflege ihre Hauptstütze findet. Die jungen Mädchen im Norden werden von Kindheit aus daran gewöhnt, dem Ernst des Lebens ins Auge zu sehen. Mädchen aus den allerbesten Kreisen wählen mit Vorliebe den Berns der Krankenpflegerin." Und von anderer Seite wird berichtet, dass sich die Krankenpflegerinnen in England mit „wahrer Begeisterung und Hingebung" ihrem freigewählten Berufe widmen. Sind nicht die „Schwestern vom rothen Kreuz" ein sprechender Beweis dafür, dass der Gedanke allerorten Wurzel gefasst hat? Auch bei uns hat man versucht, ihn zu verwirklichen, warum bisher nur mit so bescheidenem Erfolg?
Jahrelang besteht nämlich schon das von Th. Billroth begründete „Rudolsiner-Haus" in Wien, welches nach seiner ganzen Organisation und Anlage wohl geeignet wäre*), dem Zwecke zu entsprechen und gewiß auch schon viel Nutzen gestiftet hat. Wenn trotzdem die Abtheilung für die Ausbildung von Pflegerinnen das Ziel nicht zu erreichen vermag, so dürfte dies wohl zunächst daraus zurückzuführen sein, dass die Sache in weiten Bevölkerungskreisen viel zu wenig bekannt und gekannt ist, ferner dass die Entlohnungen und Sicherstellungen (Pensionen), wie dies bei einer rein privaten Unternehmung nicht anders sein kann, nicht hoch **) genug bemessen sind, um eine Anziehungskraft auf die Angehörigen der sogenannt „gebildeten Stände" auszuüben, endlich dass das hauptsächlichste Arbeitsfeld des Rudolfiner-Hauses — das chirurgische — relativ weniger Nachfrage für die Privatpflege mit sich bringt. Daher erklärt sich das im Jahresberichte der Anstalt über das 18. Vereinsjahr offen ausgesprochene Bekenntnis: „Das eigentliche Ziel des Vereines, die Heranbildung von Krankenpflegerinnen, hat bisher in unserer Bevölkerung noch nicht den wünschenswerten Anklang gesunden. Es melden sich allerdings so viele Schülerinnen, als für den Dienst des Hauses nöthig
*) Vgl. die „Statuten für die Pflegerinnen des Rudolfiner- Hanfes in Wien (XIX., Billrothftr. Nr.78). 1898, Verlag des Rudolfiner-Vereines.
**) Vgl. Z 10 der Statuten.