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Die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Wiener Lohnarbeiterinnen : Ergebnisse und stenographisches Protokoll der Enquete über Frauenarbeit, abgehalten in Wien vom 1. März bis 21. April 1896
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kann. Bei uns ist das noch nicht vorgekommen. In den anderen Betrieben schon.

Bardorf: Wer richtet das Bad her? Exp. Nr. 26: Der Chef.

Bardorf: Haben Sie die Schutzvorrichtung der Däumlinge? Exp. Nr. 26: Nein.

Vorsitzender: Haben Sie Berufskrankheiten? Exp. Nr. 26: Davon weiß ich nichts. Wenn man angestrengt den ganzen Tag arbeitet, so hat man am Abend Kopsweh, Magenbeschwerden und Beklemmungen.

Dr. Verkauf: Kommen Hautkrankheiten an den Händen vor? Exp. Nr. 26: Wir bekommen offene Hände, sehr kleine Schwielen; wenn man sich nicht fleißig die Hände reinigt und schmiert, so hat man sie bis hinauf offen.

Dr. Verkauf: Haben Sie Waschvorrichtungen im Arbeitslocal? Exp. Nr. 26: Zum Waschen haben wir gar keine Vorrichtung, sondern wir gehen zum Brunnen, und das auch im Winter. Exp. Beer: Welche Hilfsmittel haben Sie zum Poliren? Exp. Nr. 26 : Das wird nur mit der Hand gemacht. (Ueber Befragen.) Für das Aussetzen werden wir nie entschädigt, es dauert aber nicht wochenlang.

Dr. Verkauf: Das scheint also nur ein Stnndenlohn zu sein. Wenn also eine Stunde weniger gearbeitet wird, so wird diese Stunde vom Lohn abgezogen? Exp. Nr. 26: Ja. (Ueber Befragen des Vorsitzenden.» Wir sind Hefter bezahlt als anderwärts. Wir Galvaniseurinnen be­kommen sl. 8, eine Hilfsarbeitern:, die uns in die Hand arbeitet, fl. 6 und die Polirerin fl. 5 bis 8. Das ist aber nur in unserem Betrieb. Es gibt Werkstätten, wo die Galvaniseurinnen nur fl. 5 bis fl. 6 verdienen. Dort, wo Galvaniseure sind, werden die Mädchen nur zu Hilfsarbeiter: verwendet. Ausgaben für Materials haben wir keine. Ueberstunden kommen zu jenen Zeiten vor, wo das Geschäft am stärksten geht, z. B. vier bis sechs Wochen vor Weihnachten. Heuer waren die Weihnachtsgeschäfte schlecht, da haben wir nur ein paar Wochen Ueber­stunden gemacht und hatten einige Sonntage bis Mittag Arbeit. Voriges Jahr aber, wo das Weihnachtsgeschäft gut war, da haben wir bis 8, manchmal bis 9 Uhr Ueberstunden gemacht und mußten den ganzen Sonntag arbeiten. Die Ueberstunden werden wie die sonstigen Arbeitsstunden bezahlt. Nur für die Sonntagsarbeit bekommen wir noch eine Draufgabe, welche von der Gutwilligkeit der Frau abhängt. Polir- arbeiten werden in der Zeit, wo das Geschäft stark geht, nach Hause ge­nommen, und zwar von allen Arbeiterinnen, die im Geschäfte sind. Diese Hausarbeit dürfte zwei bis drei Stunden in Anspruch nehmen. Die Arbeit zu Hause wird besser bezahlt. Es ist das ein Stücklohn, hängt aber auch von der Gutwilligkeit der Frau ab. Oft zahlt sie für das Stück so viel, daß sie gar nichts daran verdient, weil sie es nur deswegen schnell machen läßt, um die Kundschaft nicht zu verlieren. In unserem Geschäft wird nur für Kundschaften gearbeitet.

Dr. Verkauf: Wie viel beträgt der Lohn, wenn man zu lernen beginnt? Exp. Nr. 26: Man bekommt sofort sl. 4'50, das Poliren beansprucht aber eine gewisse Uebung und erfordert deshalb sechs Monate Lehrzeit. Die Polirerin bekommt deshalb sechs Monate keinen Lohn, auch keine Verpflegung, weil das überhaupt nicht eingeführt ist, und nachher bekommt sie von fl. 2'50 bis 3 aufwärts.

Dr. Verkauf: Nach welcher Zeit kommt sie zum höchsten Lohn? Exp. Nr. 26: Nach zwei Jahren.

Dr. Verkauf: Nach welcher Zeit nimmt die Leistungsfähigkeit der Arbeiterin wieder ab? Exp. Nr. 26: Diese Arbeit schädigt sehr die Augen. Wenn also die Sehkraft abnimmt, so wird auch die Leistungs­fähigkeit geringer.