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Die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Wiener Lohnarbeiterinnen : Ergebnisse und stenographisches Protokoll der Enquete über Frauenarbeit, abgehalten in Wien vom 1. März bis 21. April 1896
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sonst zu viel Zeit und Mühe kostet. Einem Unternehmer, der nicht eine ge­wisse Anzahl von Ware zu liefern im Stande ist, gibt er nichts; darum hat das Sitzgesellenwesen hier nicht so sehr Umsichgreifen können.

Dr. Ofner: Sie haben gesagt, daß die kleinen Meister außerhalb der Saison auch für die Confectionsgeschäste arbeiten. Wissen Sie das Ver­hältniß zwischen den Preisen, welche ein solcher Meister für die Kunden berechnet, und jenem, den er vom Confectionär bekommt? Experte Smitka: Der Preis für die Kunden ist bedeutend höher als für die Consectionäre. Für ein Kleid wird dem Meister vom Confectionär das ist die mittlere Ware st. 6 bis 7 bezahlt, auch weniger. Die Kunde zahlt für dasselbe st. 12, 14.

Frl. Fickert: Werden die sogenannten Costüme zur Kleider-Confection oder zur eigentlichen Consection gerechnet? Exp. Smitka: Das ist verschieden. Man hat englische und nichtenglische Costüme, die auch in der Consection erzeugt werden. Da arbeiten ausschließlich Schneider. Man kann behaupten, daß in Bezug aus die englischen Costüme Wien den ersten Platz einnimmt, nicht in Bezug auf die Ideen, die kommen aus Paris, aber in der Erzeugung.

Pros. Dr. v. Philip podich: Wie viel Stücke werden von jedem Modelle gemacht? Exp. Smitka: Drei oder vier. Der Confectionär läßt nur so viel machen als er absolut haben muß. Erst wenn die Reisenden melden, daß dieses und jenes Stück (jedes Stück hat seinen Namen, nach einer Stadt oder einem classischen Namen) Anklang findet, so läßt er, ohne noch eine Bestellung zu haben, einige nachmachen. Bei Jacken und Krägen ist immer eine gewisse Grundidee, die allen eigenthümlich ist, zum Beispiel jetzt weite Aermel, halb anschließender Schnitt. Darauf bauen sich dann Hunderte und taufende von verschiedenen Ideen auf. Von den Damen will eben Jede etwas haben, was keine Andere hat.

Pros. Dr. v. Philippovich: Ist das auch in Berlin so? Exp. Smitka: Ja.

Dr. Schmied land: Wird auch aus Tuch confectionirt? Exp. Smitka: In der Dameu-Confection werden nur für Rumänien gewisse Waren aus Tuch erzeugt. Jacken aus Brocatstoff mit grellem Futter u. s. w. Sonst wird dieselbe Ware hinausgeschickt wie sie in Wien verkauft wird.

Dr. Schwiedland: Lernen die Lehrmädchen auch nur einen Theil der Arbeit? Exp. Smitka: Ja, insoferne als die Stückmeister selbst nur Theilarbeit machen; der Eine macht nur Krägen, der Andere Mäntel u. s. w.

Dr. Schwiedland: Jmportiren die Mäntelfabriken in Berlin auch nach Wien? Exp. Smitka: Nein.

Dr. Schwiedland: Haben wir in Wien ähnliche Unternehmungen, wo eine so große Anzahl von Arbeiterinnen im Hause beschäftigt ist, wie in Berlin? Exp. Smitka: Nein. Die Berliner Geschäfte lassen sich mit denen in Wien gar nicht vergleichen. In Wien haben wir Geschäfte, wo höchstens drei Manipulanten sind, während es in Berlin Geschäfte gibt, wo 20 Manipulanten find. Manipnlant ist derjenige, der die Arbeit anschafft.

Mittels höfer: Besteht das Wohnung- und Kostgeben der Meister seit jeher, und sind viele Mädchen so gehalten'? Exp. Smitka: Zum größten Theil Männer. In der Herren-Consection besteht das schon lange. So lange in der Damen-Confection die Arbeit besser bezahlt war, war es nicht nothwendig, daß der Meister auch den Profit als Wirth und Quartier­geber hat.

Vorsitzender: Worauf führen Sie den Rückgang der Löhne zurück? Exp. Smitka: Das hängt mit den schlechten Löhnen in der Herren-Confection zusammen. Da geht Älles herunter. Die Männer verlegen