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Die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Wiener Lohnarbeiterinnen : Ergebnisse und stenographisches Protokoll der Enquete über Frauenarbeit, abgehalten in Wien vom 1. März bis 21. April 1896
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Dr. Adler: Und in der Woche vorher? Exp. Nr. 51: fl. 6, 61s, höchstens fl. 7.

Dr. Adler: Was für eine Arbeit haben Sie also für die fl. 5 50 gemacht? Exp. Nr. 51: Wattirte Mantel und Krägen; wie viel es waren, kann ich nicht sagen.

Dr. Adler: Bekommen Sie eine schriftliche Rechnung in die Hand? Exp. Nr. 51: Das hat der Herr in seinem Rechnungsbuche eingeschrieben. Ich weiß zwar selbstverständlich, wie viel Stück ich in der Woche gemacht habe, aber ich weiß nicht genau im voraus, was ich für jedes Stück be­kommen werde, sondern ich kann mir das nur so beiläufig ausrechnen. Auch machen wir oft Modelle, die nicht selten geändert werden müssen; für die Aenderung dieser Modelle bekommen wir gar nichts gezahlt.

Exp. Smitka: Was verdienen Sie also eigentlich in der sogenannten Modellzeit, und wie lange dauert sie? Exp. Nr. 51: Sie dauert drei bis vier Wochen; wir verdienen nur sl. 4 bis 4 50. «Ueber Befragen des Vorsitzenden.) Für das Steppen ist eine Extrastepperin da. Diese bekommt nach dem Tag gezahlt, und zwar wöchentlich fl. 8 bis 9. Eine eigene Büglerin ist nicht da, und es wird in der Werkstätte selbst gebügelt.

Dr. Adler: Ist es Ihnen nicht manchmal vorgekommen, daß Sie mehr Geld am Samstag für Ihre Arbeit erwarteten, als Sie thatsächlich bekamen? Exp. Nr. 51: O ja, es ist mir schon oft vorgekommen, daß ich geglaubt habe, für meine Arbeit besser bezahlt zu werden als es wirklich der Fall war.

Exp. Smitka: Waren die Löhne für die Arbeit früher anders als jetzt? Exp. Nr. 51: Die Löhne sind viel schlechter geworden, die Arbeit aber ist dieselbe.

Exp. Smitka: Wird nicht jetzt besser gearbeitet als früher? Exp. Nr. 51: Nein, es wird nicht besser gearbeitet, nur rascher. Früher habe ich mir fl. 9 bis 11 verdient; noch vor drei Jahren war dies der Fall. Seit zwei Jahren ist es schlechter geworden.

Dr. Osner: Sie sagen, daß Sie oft weniger bekommen als Sie erwarten; wie viel beträgt die Differenz? Exp. Nr. 51: Oft 50 bis 75 kr. «Ueber Befragen des Vorsitzenden.) Wir haben keine Kündigungsfrist. In der todten Zeit werden einfach von 14 bis 15 Personen drei bis zehn ent­lassen. Wenn wir zu Hause arbeiten, müssen wir den Zwirn selbst beistellen, müssen aber nicht beim Herrn kaufen, sondern wo wir wollen. Es kommt häufig vor, daß wir dem Herrn und der Frau Geschenke machen müssen, wenn Hochzeits- oder Namenstag kommt. Es wird gesammelt; jede Arbeiterin muß 50, «10 kr., oft fl. 1 beisteuern. Es wird jedes Jahr etwas gegeben: ein Blumenkörbchen oder dergl. Dafür bekommen auch wir vom Herrn Ge­schenke, meist Geld. So z. B. haben wir fl. 10 Alle zusammen bekommen, wenn wir ihm zum Namenstag ein Präsent machten.

Dr. Osner: Wenn Sie Namenstag haben, bekommen Sie auch vom Herrn etwas? Exp. Nr. 51: Nein, ich bekomme niemals etwas. (Ueber Befragen des Vorsitzenden.) Die Arbeiterinnen essen nicht in der Werkstätte. Zum Frühstück haben wir keine eigentliche Pause. Da essen wir Butterbrot oder Brot allein. Zu Mittag gehen wir in's Wirthshaus oder in's Kaffee­haus. Ich esse Suppe, Gollasch und ein Seidel Bier, dafür gebe ich 20 bis 22 kr. aus. Manche verdienen mehr, manche weniger als ich. Weniger als fl. 5 verdient keine. Die mehr verdienen, haben fl. 12, 14, selbst fl. 15. Da sind zwei Frauen in unserem Geschäft, die besonders geschickt sind. Die nur sl. 5 oder «1 verdienen, essen nur Suppe und Gemüse zu Mittag, was 10 bis 12 kr. kostet. Zur Jause esse ich meist nur Brot; die Bessergestellten können sich auch sonst noch etwas gönnen. Während der Mittagspause wird nicht gearbeitet.