391)
Im Winter ist es im Local öfters kalt, weil dort Dampfheizung ist, welche den Anforderungen nicht entspricht. Das Local wird mit Gas in genügender Weise beleuchtet. Wir müssen uns kein Material zur Arbeit selbst anschaffen. Jetzt wird das Local über Mittag gesperrt, weil die Accordarbeiterinnen auch während der Mittagszeit gearbeitet haben und der Herr es dann untersagt hat, daß das Local zu Mittag offen bleibt. Auch die Wochenarbeiterinnen haben zu Mittag gearbeitet, weil sie nicht fertig wurden. Denen hat der Herr gesagt, daß sie über Mittag arbeiten müssen; er hat ihnen aber 6 bis 8 kr. für die Stunde gezahlt. Im Winter wurde in der Werkstätte gegessen. Mit den Aborten ist es schlecht bestellt. Es existirt nur ein Abort für 80 Personen, der einmal in der Woche gereinigt wrrd.
Vorsitzender: Sie zahlen 2 kr. für diese Reinigung, also bei 80 Leuten fl. 1'60. Bekommt dieses Geld die Arbeiterin, welche das Reinigen besorgt? — Exp. Nr. 110: Nein, sondern das wird an die Fabrik gezahlt. Die Arbeiterin, welche die Aborte reinigt und nach Feierabend auskehrt, bekommt vielleicht 50 bis 60 kr. (Ueber Befragen des Vorsitzenden.) Bei der Arbeit wird man sehr staubig und schmutzig. Wir dürfen uns aber, wiewohl wir bei der Dampfheizung warmes Wasser und ein Lavoir zur Verfügung hätten, nur nach der Arbeit waschen, weil sonst der Herr schimpft. Seife und Handtuch bekommen wir nicht. Als Vorgesetzte haben wir die Werkführer. Diese sind sehr freundlich. Ueber den Herrn selbst aber ist sehr viel zu klagen. Er ist sehr roh. Ob eine jung oder alt, ledig oder verheiratet ist, mit jeder Arbeiterin spricht er per „Du" und sehr grob. Wenn eine zu ihm kommt und eine Zulage haben will, so sagt er: „Sei froh, daß Du lebst, und schau, daß Du weiter kommst." Eine hat gesagt, daß sie für ein Kind zu sorgen hat, da antwortete er: „Was kümmert mich Dein Kind?" und hat zu ihr so gesprochen, daß ich es gar nicht wiederholen kann.
Vorsitzender: Wie alt ist der Herr? — Exp. Nr. 110: Er dürfte 38 Jahre^ alt sein. Er schimpft den ganzen Tag: „Saubagage, Gesindel, ich werfe Euch hinaus!" Er schlägt sogar die jüngeren Mädchen mit den Packerln auf den Kopf und auf die Hand und stößt sie herum.
Dr. Ofner: Ist er gegen die jungen Mädchen auch zudringlich? — Exp. Nr. 110: Das nicht. (Ueber Befragen.) Von den Arbeitern benehmen sich manche in unpassender Weise. Geschenke an Vorgesetzte kommen nicht vor.
Dr. Ofner: Wird das Local nicht gewaschen? — Exp. Nr. 110: Das letzte Mal zu Ostern. (Ueber Befragen.) Ich wohne mit meinem Kind zusammen bei den Eltern. Mein Vater verdient fl. 7 in der Woche. Meine Mutter ist alt und bleibt mit dem Kinde zu Hause. (Ueber Befragen.) In der Früh trinke ich zu Hause Kaffee. In die Fabrik nehme ich mir für das Gabelfrühstück nichts mit. Zu Mittag esse ich zu Hause wieder Kaffee mit der Mutter und den: Kind. Der Vater ißt außer Hause und braucht dafür 20 kr. Nachmittags nehme ich auch nichts in die Fabrik mit. Am Abend kocht die Mutter jeden zweiten Tag Fleisch und Gemüse und sonst Erdäpfel- suppe oder dergl. Am Sonntag essen wir zu Mittag immer Fleisch. Ich bin nicht in der Organisation und weiß auch nicht, ob derselben Arbeiterinnen der Fabrik angehören. (Ueber Befragen.) Ich kann keine Unterhaltungen oder dergl. mitmachen, auch keinen Ausflug. Höchstens gehe ich mit dem Kind spazieren.
Dr. Ofner: Wie wohnen Sie? — Exp. Nr. 110: Wir haben Zimmer und Küche und zahlen dafür fl. 13'50. Darin wohnen Vater, Mutter, meine Schwester, ihr Mann, ich und mein Kind.
Vorsitzender: Haben Sie noch etwas zu bemerken? — Expertin Nr. 110: Ich muß mich ganz speciell über meinen Herrn beklagen. Die Bezahlung ist sehr schlecht.