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Vorsitzender: Dann haben die Lehrmädchen doch nicht die verschiedenen Arbeiten gelernt? — Exp. v. Wagner: Es werden die Lehrmädchen entweder auf Aermel oder auf Schöße oder aus Taillen ausgebildet, da sie als Arbeiterinnen auch bei ihrem Fach bleiben.
Vorsitzender: Sie kann also nicht ein ganzes Kleid nähen? — Exp. v. Wagner: O ja, sie wird als Lehrmädchen zu Allem verwendet, bekommt aber nur in Bezug auf ein Fach eine ganz specielle Ausbildung.
Vorsitzender: Lernt sie auch das Zuschneiden? — Experte v. Wagner: Nein, da muß sie sich unterrichten lassen oder in eine Schule gehen.
Vorsitzender: Thun das die Lehrmädchen bei Ihnen? — Experte v. Wagner: Das weiß ich nicht.
Vorsitzender: Woher nehmen Sie neue Arbeiterinnen? — Exp. v. Wagner: Die Ausnahme erfolgt sehr oft durch Recommandation anderer Arbeiterinnen oder in Folge von Zeitungs-Annoncen. Wenn wir inseriren, ist immer ein sehr starker Zuspruch. Da sind immer Mädchen, die schon in anderen Ateliers waren, aber momentan ohne Arbeit sind. Wenn ausgesetzt werden muß, so sagt man das den Mädchen den Abend vorher, oder sie fragen selbst schon an, ob sie am nächsten Tag arbeiten sollen.
Dr. Schwiedland: Sie haben ganz verschiedene Kategorien von Arbeiterinnen; die Probirmamsellen sind wohl völlig verschieden von den Nähmädchen? — Exp. v. Wagner: Was ich gesagt habe, bezieht sich lediglich aus die Nähmädchen.
Dr. Schwiedland: Welches sind nun also die verschiedenen Typen von Arbeitern, die Sie beschäftigen? — Exp. v. Wagner: Da ist zunächst der erste Arbeiter oder Zuschneider, welcher am besten gestellt ist. Dann kommen Damen, welche anprobiren, und zwar meistens im Local, selten in den Wohnungen der Kunden. Es sind deren drei, sie haben Monatsgehalte. Dann kommen die Garnirerinnen, von welchen in jeder Abtheilung eine ist. Das sind die sogenannten „Ersten" der Abtheilung, die besorgen den Aufputz u. s. w. und haben in jedem Atelier die Aussicht.
Dr. Schwiedland: Wer stellt die neuen Modelle zusammen? — Exp. v. Wagner: Das ist eine Sache, welche den Chefs selbst zukommt.
Dr. Schwiedland: Welches sind nun die weiteren Leute? — Exp. v. Wagner: Da haben wir die Zubringerinnen, welche die Fourni- turen und Zubehör holen und in die einzelnen Abtheilungen tragen. Diese sind nicht Aufsichtsorgane; für das ganze Etablissement gibt es noch zwei Aufpasserinnen, welche noch über dem Zuschneider stehen. Sie müssen controliren, ob immer gearbeitet wird, ob Jeder seine Arbeit hat, und auch die größeren Arbeiten der betreffenden Arbeiterin in die Hand geben. Wir haben acht Ateliers. Mehrere Arbeitsräume zusammen bilden nämlich ein „Atelier". In dem einen werden Taillen, in dem anderen Aermel gemacht, in dem dritten Schöße n. s. w.
Dr. Verkauf: Ist es nicht so, daß die Arbeiter den Arbeiterinnen in die Hand arbeiten? — Exp. v. Wagner: O ja, bei gewissen Kategorien hat ein Arbeiter zwei Mädchen neben sich sitzen, die ihm die leichten Stücke machen.
Dr. Verkauf: Haben Sie, seitdem Sie in Wien sind, schon eine schlechte Arbeitszeit gehabt? — Exp. v. Wagner: Ja.
Dr. Verkauf: Entlassen Sie da zunächst die Männer oder die Frauen? — Exp. v. Wagner: Wenn ich mehr Taillenrarbeit habe, so lasse ich zunächst die Mädchen fort. Wenn wieder andere Kategorien von Arbeit, welche Mädchen besorgen, noch vorhanden sind, so entlasse ich wieder die Männer.
Dr. Verkauf: Geht es nicht an, die Männer auch bei difficiler Arbeit durch Frauen zu ersetzen? — Exp. v. Wagner: In Wien nicht,