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Häkeln.
lobenswerther Brauch. — Diese beiden Arbeiten sollen indessen aber auch nicht übertrieben, am unschicklichen Platze oder zur Belästigung Anderer vorgenommen werden. — Im „American ^xrieullnij8l" erzählt eine Dame, daß dergleichen Beschäftigung schon sehr alt und in England unzweifelhaft von den Schaafhirten gepflegt worden sei, während sie hüteten. Sie strickten ihre Strümpfe und Handschuhe mittelst eines rohen hölzernen Hakens am Ende eines Stäbchens, wobei sie das grobe, von ihren Frauen gesponnene Garn verwendeten. — Louise Otto dagegen giebt uns in der „Victoria" (Nr. 14, 1864) eine anziehende Geschichte von der ersten deutschen Lehrerin in der Häkelkunst, NameuS Clara Angermann, die als Kind schon ein bewegtes Leben erfahren mußte, aber aus den schwersten Prüfungen siegreich hervorging. Ihre Lebensregel lautete dahin, „daß diejenigen, welche Andere arbeiten lehren, sich ein größeres Verdienst erwerben, als die da meinen, mit dem bloßen „beten" sei es schon gethan." — Diesem Grundsätze huldigend, wurde sie in der Folge ihrer Erlebnisse die Wohthäterin Sachsens, da sie gerade zur Zeit der Noth ihre Kunst im Häkeln und Tambouriren Anderen in der uneigennützigsten Weise lehrte und so einen neuen Industriezweig durch Frauenarbeit schuf, der bald Tausende von Händen lohnend beschäftigte.
Von allen verschiedenen Arbeiten, welche entweder zur Zierde oder zum Gebrauche dienen, wird das Häkeln am leichtesten erlernt, und ist, wenn man es einmal kennt, eine der schönsten Beschäftigungen. Die Werkzeuge hiezu sind einfach, die Maschen ebenso; die Artikel, welche aber auf solche Weise gefertigt werden können, gehen an Anzahl in's Unendliche, und es ist unmöglich anzugeben, zu welcher Vollendung die Häkelarbeit noch gebracht werden kann. — Man construirt jetzt Strickmaschinen, an denen man mittelst einfacher Verstellung im Apparate auch die schönsten Häkelarbeiten herstellen kann. —
Aus den „Neuen Bahnen" ersehen wir, wie es bis in neueste Zeit mit der Ablohnung nicht nur'des Häkelns, sondern auch des Strickens speciell in Berlin bestanden hatte. — Da war der Kaufmann, der bei dieser Arbeit vorweg den Löwenantheil hinwegnahm und sich gegen die armen Arbeiterinnen z. B. in Bezug des Gewichtes der Wolle nicht selten eben keine schöne Praktiken zu erlauben pflegte. Dann kamen die Zwiscbenträgerinnen und Zwischenhändle- rinnen, diese Vampyre des kärglichen Erwerbes der Armen, die sich nicht blos vom Schweiße, sondern von der Lebenskraft der Arbeiterinnen nähren. Und endlich hatten die wirklich Arbeit Bedürftigen zuletzt noch die Concurrenz der „Heimlichen" zu bestehen, welche blos für Taschengeld und Toilette und am a l le rw o hlfeilsten zu produciren sich freiwillig anbieten und so den Lohn auf das schmählichste herunterdrücken. — Aber seit der Errichtung des „Frauen- Vereines" fängt es in Berlin an, daß solche trübe Bilder der