Von 1861 —1866 hatte die österreichische Maschinen-Industrie sehr schwere Jahre durchzumachen. Die ungünstigen politischen Verhältnisse, welche sich immer mehr und mehr zuspitzten und einer Entscheidung durch die Waffen zudrängten, hemmten die weitere industrielle Entwicklung in fühlbarer Weise. Der Werth der erzeugten Maschinen fiel in Oesterreich auf mehr als die Hälfte gegen früher, er betrug nicht mehr als ungefähr 15 Millionen Gulden per Jahr. Am verhältnismässig günstigsten waren damals noch jene Fabriken situirt, welche fixe Dampfmaschinen und Locomobile, sowie landwirthschaft- liehe Maschinen erzeugten. Zu jener Zeit wurde auch die an die österreichische Creditanstalt übergegangene Günther’sche Locomotivfabrik in Wr.-Neustadt von Georg Sigl gepachtet, welcher dieses Etablissement mit seiner alten Wiener Fabrik gemeinsam weiterführte. Er lieferte damals ausser für das Inland auch Locomotiven nach Schleswig-Holstein und Russisch-Polen, während andererseits die Locomotivfabrik der Staatseisenbahn-Gesellschaft Bestellungen für Nordspanien effectuirte. Es waren dies für die österreichische Locomotivfabrication grosse Errungenschaften am Weltmärkte, aber einen genügenden Ersatz für den Consumriickgang im Inlande boten sie nicht. Sigl verlegte sich auch damals viel auf landwirthschaftliche Maschinen, blos um seinen grossen Fabriken einigermaassen genügende Beschäftigung zu schaffen, desgleichen forcirte er überdies den Bau von Buchdruckereimaschinen, von denen er einen nicht unbeträchtlichen Theil nach Russland, Sachsen und Baiern exportirte. Auch in Webereimaschinen hatte sich damals der Export theilweise gebessert, und bewegte sich derselbe meist nach Sachsen, Preussisch-Schlesien, Baiern, Polen und der Türkei.
Erst nach den kriegerischen Ereignissen des Jahres 1866 lenkte die Maschinen-Industrie Oesterreichs wieder in günstigere Bahnen ein, ursprünglich langsam sich entwickelnd, bald jedoch einen vehementen Aufschwung nehmend. Im Jahre 1867 fiengen manche neue maschinenindustrielle Etablissements zu entstehen an, namentlich auch in Mähren, Schlesien und den Alpenländern. Die alten grossen Fabriken hatten nunmehr von Jahr zu Jahr steigende Beschäftigung. Sigl exportirte im Jahre 1867 aus seinen beiden Fabriken Locomotiven und Tender im Werthe von fl. 2,564.243, andere Maschinen im Werthe von ca. 50.000 fl. Die gesammte österreichische Maschinenausfuhr des Jahres 1867 hatte sich auf ca. 98.000 Zollcentner gesteigert, der allerdings auch eine Maschineneinfuhr von nicht weniger als ca. 170.000 Zollcentner entgegenstand. Man zählte damals in ganz Oesterreich ungefähr i3o eigentliche Maschinenfabriken. Das Jahr 1868 brachte eine weitere Steigerung der Fabrication, der Export nahm um circa 20.000 Zollcentner zu. In Wien und Niederösterreich allein wurden 1868 nicht weniger als 98 Dampfmaschinen mit circa 1600 HP neu aufgestellt, in den übrigen österreichischen Ländern weitere 200 Maschinen mit circa 3ooo HP. Die Wiener Fabrik Sigl’s lieferte in dem einen Jahre nicht weniger als 41 Locomotiven im Werthe von 1,163.043 fl. und Dampfmaschinen im Werthe von 111.668 fl., jene in Wr.-Neustadt 90 Locomotiven im Werthe von 2,939.092 fl. Die beiden Sigl’schen Etablissements zusammen effectuirten im Jahre 1868 Bestellungen im Betrage von fl. 5,876.136. Sigl war damals der grösste Maschinen-Industrielle Oesterreichs, welcher alle anderen weitaus überragte. In den Jahren 1867—1869 fanden auch aussergewöhnlich starke Bezüge in landwirtschaftlichen Maschinen seitens Ungarns statt. Wie schon zu wiederholtenmalen früher, so machte sich auch in diesen Jahren des Aufschwungs der Druck der hohen Rohmaterialienpreise, noch mehr aber jener des Mangels an disponibler Waare in hohem Grade fühlbar. Die österreichischen Eisenwerke konnten den Anforderungen, welche an sie gestellt wurden, nicht entsprechen, daher vielfach trotz der hohen Zollsätze ausländisches Material bezogen werden musste. Andererseits wurden die Kohlenbezüge durch die hohen Frachttarife sehr vertheuert. Nur die günstigeren Verkaufspreise schafften damals ein wenigstens theilweises Aequivalent. Im Jahre 1869 nahm der Aufschwung weiteren Fortgang. Es wurden neu aufgestellt circa 3oo Dampfmaschinen mit mehr als 3500 HP, davon in Wien und Niederösterreich 126 mit 1800 HP. Ausser den Sigl’schen Fabriken und der Schmid’schen Fabrik, welch’ letztere in eine Actiengesellschaft übergegangen war, fabricirten damals Dampfmaschinen vorwiegend die Firmen: Leopold Apfelthaler in Wien, Baechle & Co. in Wien, Clayton, Shuttleworth & Co. in Wien, August Frey in Wien, Carl Heinrich, Joh. Jaschke, L. Nemelka, J. Oesterreicher, Josef Pauker, V. Prick, A. Pütz, Max Schimmelbusch, Theodor Schultz, C. A. Specker, W. Tomann in Wien etc., ferner die grossen Maschinenfabriken in Prag und die in Mähren und Schlesien neu entstandenen Fabriken. Umfangreiche Production in Schiffsmaschinen hatten
Die Gross-Industrie. III. 2
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