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Die Groß-Industrie Oesterreichs : Festgabe zum glorreichen fünfzigjährigen Regierungs-Jubiläum seiner Majestät des Kaisers Franz Josef I. dargebracht von den Industriellen Österreichs 1898 ; Dritter Band
Entstehung
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die beiden grossen Triester Etablissements aufzuweisen. Sigl producirte 1869 in seiner Wiener Fabrik 60 Locomotiven, 45 Locomobile und 24 Dampfmaschinen, in der Wr.-Neustädter Fabrik 102 Loco- motiven, während die Fabrik der Staatseisenbahn-Gesellschaft 92 Locomotiven erzeugte. Es war dies für österreichische Verhältnisse eine aussergewöhnlich hohe Production. Beachtenswerth war damals auch die Entwicklung der Werkzeugmaschinen-Erzeugung, um welche sich besonders Carl Pfaff in Wien- Rudolfsheim verdient gemacht hatte. Die Maschinenausfuhr Oesterreichs im Jahre 1869 betrug circa 32.000, die Einfuhr circa 388.000 Zollcentner. Die Fortschritte hielten auch in den Jahren 18701872 an, und profitirten von der günstigen Lage der Maschinen-Industrie besonders jene Zweige dieser Industrie, welche mit dem Eisenbahnbau und dem Eisenbahnbetriebe im Zusammenhänge standen, in erster Linie also die Locomotiv- und Waggonfabriken. Die beiden Siglschen Fabriken brachten es 1870 auf 168 Locomotiven und i38 Tender, von denen nur 4 Locomotiven ins Ausland giengen, die Fabrik der Staats­eisenbahn-Gesellschaft auf 88 Locomotiven und 48 Tender; in den beiden folgenden Jahren war die Pro­duction nur unwesentlich geringer. Dampfmaschinen gelangten in den ersten drei Siebzigerjahren in ganz Oesterreich pro Jahr ungefähr 38o mit circa 5500 HP zur Aufstellung, in Wien und Niederöster­reich allein ungefähr 156 Maschinen. Im Jahre 1871 entstand auch die dritte österreichische Locomotiv- fabrik, jene der Locomotivfabriks-Actiengesellschaft in Gross-Jedlersdorf. Viel wurde auch an Werk­zeugmaschinen verbraucht, so dass z. B. die Fabrik von Carl Pfaff einen Umsatz von jährlich 3oo.ooo400.000 fl. erzielte, wobei jedoch die inländische Production für den Bedarf nicht ausreichte und deshalb viele Fabrikate importirt werden mussten. Günstig gestaltete sich ferner der Verbrauch an inländischen Nähmaschinen. Diese Maschinen wurden erzeugt von: Anger & Müller in Hernals, L. Bollmann in Wien, G. Ferstl in Wien, Ad. Gizicki in Wien, Jul. Hock in Fünfhaus, Aug. Rast in Fünf­haus, Lindner & Klemm in Wien, V. Nichtl in Wien, V. Reichl, Carl Wagner, Jakob Warchalowsky, Franz Wolf, lg. Hlavatschek, J. Montigler, Josef Riedl, sämmtliche in Wien, und einigen anderen. Ausserhalb Wiens wurden Nähmaschinen nur mehr von einigen wenigen Fabriken in Nebenbetrieben erzeugt. Die Fabriken von Anger & Müller, sowie von V. Reichl hatten grossen Absatz nach Russland, Italien und Deutschland. Waggons wurden in grossen Mengen in der Simmeringer Waggonfabrik, in jener der Actiengesellschaft für Waggonbau vorm. J. Spiering, in jener der Waggon- und Tramway-Baugesell­schaft in Hernals, in der Ringhofferschen Fabrik in Prag und in der Fabrik von Schustala in Nesselsdorf erzeugt. Die zahlreichen Maschinenfabriken, welche in den Siebzigerjahren nicht allein in Wien und Niederösterreich, sondern auch in allen anderen Provinzen in mehr oder weniger grossem Umfange entstanden, haben sich im Allgemeinen bis heute noch erhalten, theils unter derselben Firma und an dem­selben Orte, theils unter geändertem Namen und gewechseltem Fabricationsorte. Nach dem im Jahre 1873 stattgefundenen neuerlichen Rückschlag in der industriellen Entwicklung fand dann in den Achtziger­jahren wieder eine langsame Besserung statt, welche sich auch in den ersten Jahren des laufenden Jahr­zehntes noch erhielt. Erst in den letzten Jahren muss abermals eine Abschwächung des maschinenindu- striellen Fortschrittes constatirt werden.

Wie früher, so waren es auch in den letzten 20 Jahren hauptsächlich Locomotivfabriken, welche der Centralprovinz des Reiches, Niederösterreich, in maschinenindustrieller Hinsicht ein so schwer­wiegendes Uebergewicht über die übrigen Länder verliehen. Die niederösterreichischen Locomotivfabriken sind, wenn man von der Fabrik der Staatseisenbahn-Gesellschaft, welche derzeit fast ausschliesslich für den Bedarf der eigenen Gesellschaft arbeitet, absieht, im Laufe der Jahre Actiengesellschaften geworden. Zunächst ist hier als älteste Fabrik zu nennen jene der Actiengesellschaft der Locomotivfabrik vorm. G. Sigl in Wr.-Neustadt, deren Actiencapital fl. 1,960.000 beträgt, welche im Jahre 1897 eine Gesammt- erzeugung im Werthe von fl. 3,315-336 auswies und im Ganzen 83 Locomotiven und 4 Tender produ­cirte, ferner Dampfmotoren, Dampfkessel etc. im Werthe von 593.244 fl. Die Wiener Fabrik dieser Gesellschaft ist in den Siebzigerjahren aufgelassen, respective mit der Wr.-Neustädter Fabrik vereinigt worden. Ungefähr dieselbe Grösse besitzt die Fabrik der Wiener Locomotivfabriks-Actiengesellschaft in Wien-Floridsdorf, deren Actiencapital 1,620.000 fl. beträgt, und deren Umsatz im Jahre 1897 2,302.554 fl. erreichte. Die Fabrik lieferte im genannten Jahre 70 Locomotiven und 37 Tender. Der Gesammtumsatz der dritten Locomotivfabrik, jener der priv. österr.-ungar. Staatseisenbahn-Gesellschaft belief sich im

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