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Die Groß-Industrie Oesterreichs : Festgabe zum glorreichen fünfzigjährigen Regierungs-Jubiläum seiner Majestät des Kaisers Franz Josef I. dargebracht von den Industriellen Österreichs 1898 ; Dritter Band
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TELEGRAPHIE UND TELEPHONIE IN OESTERREICH.

ie Entwicklung der Telegraphie und Telephonie bildet einen ebenso wichtigen als inter­essanten Abschnitt der Culturgeschichte. Wenn auch die Bestrebungen der Menschen, sich durch optische oder akustische Zeichen auf grössere Entfernungen zu verständigen, bis in das Alterthum zurückreichen, blieb doch die Lösung des Problems der Fernleitung elek­trischer Ströme zum Zwecke des Gedankenaustausches und in der weiteren Folge dieser wissenschaftlichen Arbeiten die Ausbildung der Telegraphie und Telephonie zu einem die menschliche Schaffenskraft mächtig fördernden Factor des öffentlichen Lebens dem 19. Jahrhundert Vorbehalten.

Es ist nicht im Rahmen dieses Aufsatzes gelegen, eine ausführliche Geschichte der Telegraphie und Telephonie im allgemeinen und bis in die Details zu bieten; trotzdem dürfte es des besseren Ver­ständnisses halber zweckmässig erscheinen, zunächst einen Rückblick auf die wichtigsten Momente der historischen Entwicklung bis zum Zeitpunkte der Einführung dieser Verkehrsmittel in Oesterreich zu werfen und sodann zur Darstellung der verschiedenen Phasen, welche das Telegraphen- und Telephonwesen in unserem Vaterlande bis zu seiner gegenwärtigen Ausgestaltung durchlaufen hat, überzugehen. Es dürfte eine solche Gliederung des Stoffes umsomehr am Platze sein, als bei der fast gleichzeitigen Ausbildung dieser Einrichtungen in den verschiedenen Culturstaaten Europas von dem erwähnten Zeitpunkte an die Geschichte der Telegraphie und Telephonie in Oesterreich in ihren allgemeinen Umrissen als eine Geschichte des continentalen Telegraphen- und Telephonwesens gelten kann. Es wird aber auch aus dieser Darstellung hervorgehen, dass Oesterreich vom Beginne an bis zur Gegenwart rühmlichen Antheil an der Vervollkommnung der genannten Verkehrszweige genommen hat, und dass die österreichische Verwaltung die hiebei auftauchenden schwierigen Aufgaben jederzeit mit Energie erfasste und in steter Wechselwirkung mit den übrigen .europäischen Verwaltungen einer gedeihlichen Lösung zuführte.

Abgesehen von den in den Jahren 17531800 unternommenen, in Bezug auf die praktische Ver­wendbarkeit gänzlich missglückten Versuchen, Wirkungen der statischen Elektricität zur Zeichengebung zu benützen, kann als Geburtsjahr der elektrischen Telegraphie das Jahr 1809 angenommen werden, in welchem Sömmering in München den ersten elektrochemischen Telegraphen erfand. Dieser auf Wasserzersetzung beruhende Apparat wurde am 1. Juli 1811 durch den Grafen Potocki dem Kaiser Franz in Wien vorgeführt, wurde auch nach der Schweiz, nach Frankreich und Russland gebracht, konnte sich jedoch nirgends Eingang in die Praxis verschaffen, woran wohl hauptsächlich die grosse Zahl der erforderlichen Leitungsdrähte (27) Ursache gewesen sein mag.

Ein neuer Weg zur Ausführung eines elektrischen Telegraphen eröffnete sich im Jahre 1820, nachdem durch die Forschungen Oerstedts die schon 1802 von Romagnosi in Innsbruck beobachtete

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