Dokument 
Die Groß-Industrie Oesterreichs : Festgabe zum glorreichen fünfzigjährigen Regierungs-Jubiläum seiner Majestät des Kaisers Franz Josef I. dargebracht von den Industriellen Österreichs 1898 ; Dritter Band
Entstehung
Seite
283
Einzelbild herunterladen

Das Jahr 1876 brachte nebst der obligatorischen Einführung der metrischen Maasse und Gewichte für Oesterreich auch die Neuerung, dass jedes Mess- und Wägeinstrument, insoferne es nicht aus­schliesslich für den Privatgebrauch des Besitzers diente, der behördlichen Ueberprüfung der Aichung unterzogen werden musste, und zwar in der Weise, dass jede neue nicht für den Privatgebrauch bestimmte Waage geaicht und nach Ablauf von je zwei Jahren wieder geaicht wurde.

Diese Maassregel war aus dem Grunde zu begrüssen, weil durch dieselbe manchem Unfuge Ein­halt geboten wurde.

Aus dem gleichen Anlasse war verfügt worden, dass jede Neuerung an Waagen, wenn sie sich auf mehr als die blosse Ausstattung derselben erstreckte, vor ihrer Einführung erst behördlich auf ihre Zweckdienlichkeit geprüft werden müsse, und dass kein Wägeinstrument dem öffentlichen Verkehre über­geben werden dürfe, dessen System und Bauart nicht seitens der k. k. Normalaichungscommission dies der Titel der obersten Aichbehörde als zulässig erklärt worden sei.

Wenn auch durch diese behördlichen Maassnahmen das Aufkommen technisch minderwerthiger Erzeugnisse von vorneherein nicht unmöglich gemacht wurde, so haben sich diese Einrichtungen im grossen und ganzen für die Entwicklung der österreichischen Waagenfabrication doch als förderlich erwiesen.

Bald war auch die Sagnier-Waage überlebt, und an ihre Stelle trat die Laufgewichts-Scalawaage, so geheissen, weil bei ihr die Grösse der Last durch das Verschieben einer Messingkugel auf einem Stahlbalken festgestellt wird, welcher eine gleiche Theilung die sogenannte Scala enthält. Diese Scala beginnt bei okg und steigt, je nach der Grösse der Waage in geringeren oder grösseren Ab­ständen, bis zur vollen Wägefähigkeit derselben. Die Höhe der Belastung wird einfach durch das Ablesen jener Ziffer ermittelt, bei welcher sich das Laufgewicht im Momente der Balance befindet.

Nebst der ausserordentlichen Einfachheit, Mühelosigkeit und Schnelligkeit der Manipulation, welche das Laufgewichtssystem auszeichnet, und abgesehen davon, dass dasselbe auch bei kleinen Waagen Anwendung finden kann und in der Praxis thatsächlich auch findet, bietet eine Waage mit Laufgewicht und Scala noch den nicht hoch genug anzuschlagenden Vortheil, dass bei ihr die Irrthümer, welche bei den Decimal- und Centimalwaagen beim Addiren und Multipliciren nur allzuhäufig unterlaufen, aus­geschlossen sind.

Es ist unter diesen Verhältnissen erklärlich, dass die Laufgewichts-Scalawaagen alle Systeme, bei welchen effective Gewichte in Verwendung kommen, nach und nach verdrängen. Sehr viel zur Be­schleunigung dieses Processes wird der Umstand beitragen, dass in neuerer Zeit das System des Lauf­gewichtes noch dadurch verbessert wurde, dass an dem Scalabalken eine sogenannte Registrirvorrichtung angebracht wird.

Durch die letztere erscheinen auch die Irrthümer, welche bei den Laufgewichtswaagen etwa durch falsches Ablesen des Gewichtes vom Scalabalken Vorkommen können, vollkommen ausgeschlossen, weil durch diesen ebenso einfach wie sinnreich construirten Apparat das Gewicht der Last auf eigens angefertigten Kärtchen deutlich und bleibend eingeprägt wird, was und das ist besonders wichtig zu jeder Zeit eine genaue Controle aller stattgehabten Wägemanipulationen ermöglicht.

Wie vortrefflich und zweckdienlich diese Registrireinrichtung ist, erhellt wohl am besten daraus, dass einzelne Waagengattungen, und unter diesen namentlich stabile Brückenwaagen, heute nahezu aus­schliesslich mit diesem Apparate ausgestattet erzeugt werden.

Parallel mit der eben geschilderten Entwicklung des Wägesystems schritt aber auch die Ent­wicklung der mechanischen Einrichtung aller Brückenwaagengattungen vor, so dass dieselbe namentlich bei uns heute eine Höhe einnimmt, die fast nicht mehr steigerungsfähig scheint.

Es würde den Rahmen dieser Skizze weit überschreiten, sollte der Werdegang der technischen Vervollkommnung der einzelnen Brückenwaagentypen auch nur in seinen wichtigsten Phasen geschildert werden, und es sei daher nur auf jene Veränderungen in der mechanischen Einrichtung verwiesen, die von wirklich einschneidender Bedeutung für die betreffende Waagengattung waren.

Hierher gehören vor allem die vielartigen Sperr- und Arretirungsvorrichtungen, welche an den verschiedenen transportablen Brückenwaagen zum Schutze der empfindlichsten und wichtigsten Theile des Mechanismus, zur Erhöhung der Dauerhaftigkeit derselben angebracht wurden; hierher gehören die

36 *

283