Extraktivismus
- DefinitionExtraktivismus bezeichnet ein Wirtschaftsmodell, das auf intensiven Rohstoffabbau ausgerichtet ist – mit oftmals schweren sozio-ökologischen Folgen. Ein kritisches Verständnis von Extraktivismus wurde zu Beginn des 21. Jahrhunderts in lateinamerikanischen Kontexten formuliert, um die entwicklungs- und umweltpolitischen Konsequenzen der Ausbeutung und des Exportes natürlicher Ressourcen aufzuzeigen. Zu den wichtigsten Profiteur:innen gehören heute wie damals internationale Konzerne, lokale Eliten und staatliche Institutionen selbst. Sie sorgen durch politische und rechtliche Entscheidungen dafür, dass der Rohstoffabbau möglich bleibt und gesetzlich abgesichert ist. Im Globalen Norden werden bis heute immer mehr Ressourcen für eine „imperiale Lebensweise“ eingefordert – also für einen Lebensstil, der auf überproportionalem Ressourcenverbrauch basiert und deren Abbau in Ländern des Globalen Südens zu ökologischen Schäden und zu sozio-ökonomischer Degradierung führt. Dies zeigt sich in der Zerstörung von Ökosystemen, der Verschlechterung der Bodeneigenschaften und Umweltverschmutzung, sowie in Form von Landenteignungen, Vertreibungen und dem Entzug der Lebensgrundlage für marginalisierte Gruppen. Darüber hinaus stellten Wissenschaftler:innen fest, dass sich Extraktivismus zunehmend nicht nur als ein Wirtschaftsmodell, sondern auch als nationale und wachstumsorientierte Entwicklungsstrategie manifestiert, was als Neo-Extraktivismus bezeichnet wird.
- QuellenUlrich Brand/Kristina Dietz, (Neo-)Extraktivismus, in: D. Gottschlich et al. (Hg.), Handbuch Politische Ökologie. Theorien, Konflikte, Begriffe, Methoden, Bielefeld 2021, 245–253, 246, 249 f.
Ulrich Brand/Markus Wissen, Imperiale Lebensweise. Zur Ausbeutung von Menschen und Natur im globalen Kapitalismus, München 2017, 43 ff.
Hans-Jürgen Burchardt/Stefan Peters, Extraktivismus, in: Jan Brunner/Anna Dobelmann/Sarah Kirst/Sarah Prause (Hg.), Wörterbuch Land- und Rohstoffkonflikte, Bielefeld 2019, 65–71, 65 f.
Christine Löw/Tanja Scheiterbauer, Zur Kolonialität der Naturverhältnisse: Feministische Konzeptionen von Extraktivismus, in: Freiburger Zeitschrift für GeschlechterStudien 31 (2025), 65–81, 68.