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Es ist mit Recht und Unrecht über diese ver­schämte Armut und den Stolz hungernder Witwen und Waisen schon viel gespöttelt worden, und doch ist dieser Stolz auf ein tief achtbares Gefühl zurückzuführen, das mächtig genug ist, um Hunger und Kälte und ungezählten Demütigungen siegreich Trotz zu bieten. Andererseits läßt sich die Tatsache nicht wegleugnen, daß Hunderte und Hunderte solcher Frauen langsam dem Schicksale des Verhungerns anheimfallen, daß sie darben und entbehren, von Tag zu Tag, von Jahr zu Jahr, bis die Kräfte sinken und einem Anpralle, der einem normal ernährten Körper nichts anhaben könnte, erliegen.

Härter als diese materiellen Entbehrungen empfindet die alleinstehende Frau das Schicksal, nach und nach der Ver­lassenheit und der Einsamkeit zu verfallen. Kein Mann steht je so isoliert als die alleinstehende Frau. Er genießt den Vorteil der freieren Bewegung; ihm steht der Verkehr offen, den er sich zu sichern weiß. Nicht so der Frau.

Wer die Schattenbilder schauen könnte, die an solch einer vereinsamten, schicksalsmüden Frauenseele in den langen Winterabenden vorüberziehen mögen; wer in ihre Erinnerungen, in ihre Gedanken und Träume zu blicken ver­möchte der würde manche Herbheit, manche Bitterkeit begreifen und verzeihen, die wir so oft an alleinstehenden Frauen finden und rügen! Es gehört eben mehr Lebenskunst dazu, ein solches einsames, verschwiegenes Frauenschicksal zu tragen, als sich die große Menge träumen läßt.

Und weil es eben so still und verschwiegen getragen wurde, sind Menschen und Zeitalter vorübergegangen, ohne daß sich etwas ah diesem Schicksale geändert hätte. Kinder, Männer, Greise, Krieger, die zu erziehende Jugend, die nach Erwerb strebende Frau, Alles und Alle wurden unter die Für­sorge des Staates, des Volkes, der Vereine genommen nur die verwaiste, vereinsamte Frau des gebildeten Mittel­standes, sie wurde mit einer nominellenVersorgung abge­funden und stand ausgeschlossen aus dem fürsorgenden Kreise, der mit tatkräftig stützender und helfender Liebe so Vieles umschlingt.

Da faßten einige Frauen Wiens den Gedanken, dieses Schicksal zu wenden, der gebildeten alleinstehenden Frau eine Heimat zu gründen, ihr zu möglichst geringen Kosten eine Wohnstätte und Verpflegung zu bieten und sie an den Annehmlichkeiten eines größeren, gemeinschaftlichen Haus­haltes und des geselligen, ebenbürtigen Verkehres mit anderen Frauen teilhaftig zu machen. Zu solchem Zwecke gründeten sie einen Verein, der den NamenFrauenheim führt und dessen erstes Bestreben nunmehr dahin geht, mit aller Macht und Kraft die Summe zusammenzutragen, die zu dem Ankäufe