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gestellten Verhandlungen lassen mehrfach erkennen, daß die Pädagogiumsangelegenheit allmälig einen hochpolitischen Cha­rakter angenommen und alle maßgebenden Factoren in Bewegung gesetzt hatte. Ferner finden sich in den Gemeinderathsprotokollen deutliche Spuren von Vorgängen, welche eine directe Einflußnahme des Staatsoberhauptes auf die streitige Sache zur Folge haben mußten. Von verschiedenen Seiten (aus Mannheim, Pforzheim, Augsburg u. f. w.) kamen Telegramme und Zuschriften an den Wiener Gemeinderath, worin demmannhaften Auftreten gegen die clericalen Bestrebungen", oderdem mächtigen Wort, welches der Gemeinderath der Stadt Wien auf die Adresse der deutsch- slavischen Bischöfe an den Kaiser gesprochen," Beifall gezollt wird. Was da eigentlich vorgegangen sei, darüber enthält meine Haupt­quelle nichts Näheres. Tiefer Mangel wird aber durch eine andere Quelle hinlänglich ausgeglichen. Der in Wien erscheinende Volksfreund", das von einem Consistorialrath redigirte Organ des Erzbifchofs Rauscher, enthält in der Nummer vorn 23. Ja­nuar 1873 folgende Auslassung:Fünf Jahre find verflossen, seitdem der Gemeinderath Wiens die Stirne hatte, vor den Stufen des Thrones die sämmtlichen Bischöfe Cisleithaniens der Ver­leumdung zu beschuldigen, weil sie in ihrer an Seine Majestät ge­richteten Befchwerdeschrift erklärt hatten, es fei mit der Errichtung des beabsichtigten Pädagogiums auf Zerstörung der Religiosität und Sittlichkeit in den Herzen der heranwachsenden Generation abgesehen." Hier erfahren wir also, was von der einen und was von der anderen Partei geschehen ist. Daß die erwähnte Beschwerdeschrift" der Bischöfe, wenn sie wirklich den angeführten Inhalt hatte, eineVerleumdung" war, steht außer allem Zweifel; denn dem Gemeinderath von Wien ist es sicherlich nicht in den Sinn gekommen, durch das Pädagogium Religiosität und Sitt­lichkeit zerstören zu wollen. Auch bin ich nicht davon überzeugt, daß die Bischöfe dies selbst geglaubt hätten, da gar kein Grund vorhanden war, dem Wiener Gemeinderath eine so bösartige Ab­sicht zuzuschreiben. Wenn nun der Kaiser für den Gemeinderath,

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