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Seins? Ich kann aber trotzdem nimmermehr zugeben, daß die bloße Möglichkeit einer glücklichen Ehe für das Weib schon den Wirkungskreis biete, und so lange unsere Gesellschaft nicht allen wie Verlobten erzogenen Mädchen achtenswerthe und geliebte Männer bieten kann, hat sie die Pflicht, ihre weiblichen Angehörigen zu schützen. Wer Achtung und Liebe zu den gesellschaftlichen Einrichtungen haben soll, muß nebst dem Zwang auch die Wohlthaten derselben erfahren. Man wirft uns Frauen freilich vor, wir wollten in unserem jetzigen Streben Alles, nur keine Frauen sein, und darüber hätten wir blos mit dem Schöpfer zu rechten, denn Niemand hindere uns, jedweden Beruf zu ergreifen, und die Klagen über die Unter­drückung der Frauen seien ganz unberechtigt. Mir klingt das wie bitterer Hohn! Seufzen nicht so viele Witwen und Mädchen nach der Emancipa­tion der Arbeit blos um des Brotes willen?! Seufzen nicht so viele Frauen, welche unter dem verschuldeten oder auch nicht verschuldeten Schicksal ihrer Männer leiden, nach der Befreiung der weiblichen Arbeit nur einzig und allein, damit sie in ihr Geschick mit eigener Hand eingreifen und Wohl und Wehe nicht allein von ihrem Gebieter zu erwarten haben!? Ja, mir klingt das wie bitterer Hohn, denn während man unsere Fähig­keiten in das kleinste Licht setzt, muthet man uns zu, daß wir, die wir den Hauch der öffentlichen Meinung zu scheuen haben, den Muth und die Kraft besitzen sollen, der Mehrzahl ihrer männlichen Vertreter, welche der weiblichen Arbeit nur Spott und Verachtung bieten, zu trotzen.

Man muthet uns wohl auch zu, daß wir gleich Minerva mit vollem Rüstzeug zur Welt kommen, da Oesterreich auch nicht eine Schule besitzt, wo die Mädchen sich höhere Kenntnisse erringen könnten, und es doch nur ihre Schuld sein soll, wenn sie nicht jeden beliebigen Beruf ergreifen. Die Männerwelt, so glücklich, zugleich Partei und Richter zu sein, schelte uns daher nicht ungerecht, wenn wir gegen die öffentlichen Einrichtungen klagen, und erlaube uns Hippells Worte zu den unserigen zu machen: Daß es scheine, der Staat sei ein moralischer Mann, statt eines mora­lischen Menschen."

Man sagt, die freie Arbeit der Frauen werde sie den Beschäftigungen des Hauses entfremden und die Familie und die Kinder darunter leiden.

Lassen Sie mich, geehrte Anwesende, damit ich diesem Einwände recht begegnen kann, unsere dem Mittelstände angehörende Frauenwelt, wie sie heute ist, betrachten, heute, wo sie weder durch besseren Unterricht, noch durch die freie Arbeit berührt ist. Da sehen wir zuerst die große Zahl der Frauen, die Väter und Gatten haben, welche sogenannte bür­gerliche Gewerbe treiben. Die Frau des Bäckers, Spenglers, Gastwirthes