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ALLGEMEINE ILLUSTRIRTE WELTAUSSTELLUNGS-ZEITUNG.

macht in der Minute 2530 Stiche, die Maschine macht deren 8001000, sie macht also 29 Hand­arbeiterinen überflüssig. Allein dieser Ausfall wird hinlänglich gedeckt durch die vermehrte Nachfrage. Es wird nicht lange mehr dauern, so wird selbst die jetzige Nähmaschine, da sie durch den Fuss in Bewe­gung gesetzt wird, nur mehr im Haushalte verwendet werden und in Etablissements durch Dampf oder elektrische Kraft in Bewegung gesetzt werden, wie es jetzt schon z. B. in Maison Condillon in Paris der Fall ist.

Und wenn jetzt, wo wir im Anfänge des Fort­schrittes stehen, eine Maschin-Näherin 30 100 Procent mehr verdient, so wird sie dann noch um mehr als um 100 Procent verdienen. Es evübrigt noch ein flüchtiger Blick auf alle Zweige mensch­licher Gewerbethätigkeit, welche bereits den Frauen überantwortet sind.

Redner gibt nun mit Zugrundelegung der Gruppeneintlieilung der Wiener Weltausstel­lung diese einzelnen Zweige an.

Eines ist noch hervorzuheben. Die Wahl der­jenigen Haus, - Industrien der Frau, welche auf Handarbeit beruhen, ist überaus prekär. Es erfor­dert mehr als eine gewisse landläufige Kenntniss der industriellen Verhältnisse und eine gewisse oberflächliche Befreundung mit den volkswirt­schaftlichen Umständen, um Zusagen, welche Hand­arbeit die Frau als Haus-Industrie betreiben soll. Es werden in manchen Staaten Hunderte und Tausende darauf ausgegeben, um gewisse Haus-Industrien wie künstliche Treibhauspflanzen zu pflegen und zu fördern. Aber das ist unrichtig, und der Weg, auf welchen eine Arbeiterin, diesichnicht amortisirt, ge­führtwerden soll, soll von den Lenkern das Staates mit viel grösserer Sorgfalt ausgewählt werden.

Nachdem nun mehr als eine Stunde der Druck auf uns gelastet hat, der Druck des Gedankens, dass der Mensch gezwungen, verpflichtet und be­rufen sei, mechanische Arbeit zu treiben, wollen wir diesen Gedanken verlassen und heimkehren in den Familienkreis oder zu den Stätten der Kunst, wo die reinsten Freuden, die schönsten Genüsse unser warten. Der Mensch ist nicht bloss Werk­zeug-Maschine !

lieber die Industrie des Cantons St. G-allen und dessen Betheiligung auf der bevor­stehenden Wiener Weltausstellung.

Von Q. Delabar *).

Es ist in diesen Blättern wiederholt von den Vorbereitungen die Rede gewesen, die in der Schweiz auf die bevorstehende Wiener Weltaus­stellung gemacht werden. Der Canton St. Gal­len, der bekanntlich mit zu den industriellsten Can- tonen der Schweiz gehört, ist zu unserem Befrem­den bei diesen Berichten fast wie unberührt ge­blieben, und doch wird er bei der diesjährigen Ausstellung in Wien, wie alle Aussicht vorhanden ist, eine hervorragende Stelle einnehmen. Es dürfte daher am Platze sein, vorläufig Einiges über dessen Industrie, sowie über dessen Betheiligung an dieser Weltausstellung mitzutheilen. Wir werden uns hiebei auf die letzte statistische Aufnahme vom Jahre 1865 beziehen und die inzwischen eingetretenen Aenderungen, soweit sie bekannt sind, mitberücksichtigen.

Der Canton St. Gallen beschäftigt sich vor­zugsweise mit der B aumwoll en - In dus trie. Nach der erwähnten Gewerbe-Statistik zählte man in dieser Haupt-Industrie, die Ausrüstungs- Gewerbe nicht miteingerechnet, nicht weniger denn 440Geschäfte, d. h. grössere Fabriken und kleinere Etablissements ineinander gerechnet, mit 485 Angestellten, 215 Ferggern (Factoren) und

*) ln Nummer 21 des I. Bandes derWeltausstellungs- Zeitung ist der Name des Verfassers des betreffenden Aufsatzes irrigerweise mit J. Delabar bezeichnet, was hier berichtigt werden mag.

32.404 Arbeitern oder über 35.000 beschäftigten Personen, d. i. nahezu 19 Procent der Cantons- Bevölkerung. Dazu kommen aber noch mehr denn 6000' ausser dem Canton wohnende Personen, welche als Fergger, Weber oder Sticker für im Canton etablirte Geschäfte arbeiteten, so dass die zu jener Zeit in der Baumwollen-Industrie beschäf­tigten Personen im Ganzen über 41.000 betrugen. Bei dieser Industrie sind aber wieder drei beson­dere Zweige hervorzuheben: Die Spinnerei, Weberei und Stickerei.

Die Baumw o llen-Spinnerei zählte 28 Geschäfte, darunter 20 eigentliche Spinnereien mit 105 Angestellten, 607 männlichen, 846 weib­lichen Arbeitern und 417 Kindern unter 16 Jahren, zusammen 1870 Arbeiter, verwendete zum Be­triebe 105 I Pferdekraft, (932 per Wasser und 122 per Dampf) und setzte 173.536 Spindeln in Be­wegung. Zwanzig Jahre früher, also anno 1845, zählte man erst 129.168 Spindeln und zwei Jahre später, zur Zeit der letzten Pariser Weltaus­stellung im Jahre 1867, 218.246. Um diese Zeit nahm der Canton St. Gallen unter den Baumwolle spinnenden Cantonen der Schweiz den dritten Rang ein. Vor ihm kamen nurZüricli mit 607.082 Spindeln und Aargau mit 265.805 Spindeln, und zunächst nach ihm kamen Glanis mit 200.000, Zug mit 111.272, Schwyz mit 50.000, Thurgau mit 42.800 und Graubiindten mit -31.600; der grosse Canton Bern zählte dagegen nur 30.000, Solothurn 22.768, Basel 10.000, Schaffhausen 6120 und Luzern 6016; die ganze Schweiz zählte somit im Ganzen, da die übrigen neun Cantone keine Baumwollen-Spinnereien besitzen, 1,602.109 Spindeln. Die cantonalen Baumwollen-Spinnereien produciren Garne von Nr. 12 bis 170 und finden ihren Absatz grösstentheils im Canton selbst, zum Th eil aber auch im Ausland, besonders im Eisass.

Die Baumwoll en-Web erei theilt sich in die Han dweb erei und die mechanische Weberei. Die Handweberei beschäftigte anno 1865 noch die grösste Zahl der Hände, nämlich mit Inbegriff der Jacquard-Webereien in 161 Geschäften 172 Angestellte, 86 Fergger und 22.899 Arbeiter (8168 männliche, 7724 weib­liche und 7007 Kinder. In der Handweberei, die wieder, wie die mechanische Weberei, in die Weisswaren- und Buntwaren-Weberei zer­fällt, ist es die letztere, welche den grössten Um­fang besitzt, indem sie allein 13.786 Weber und auch die grösste Zahl von ausser dem Canton be­findlichen Arbeitern beschäftigt. Die Zählung der Hand-Webstiihle fand erst im Jahre 1868, also ein Jahr nach der Pariser Weltausstellung statt und betrug 12.515, nämlich 2417 in der Weiss­waren-Weberei, 9691 in der Buntweberei und 407 in der Jacquard-Weberei. In diesem Industrie­zweig nahm zur Zeit der letzten Ausstellung von 1867 der Canton St. Gallen den ersten Rang ein. Nach ihm kamen zunächst Aargau mit 10.770, Appenzell A. Rh. mit 7000, Thurgau mit 3000 und Zürich mit 2800, zusammen die ganze Schweiz mit 36.085 Hand-Webstühlen. Seitdem ist die Handweberei und namentlich die Weisswaren- Weberei noch mehr zurückgegangen, die Mascliinen- Weberei dagegen noch mehr in Aufnahme ge­kommen. Darin dürfte der Canton auch jetzt noch den ersten Rang behaupten, wenigstens in den leichteren Artikeln.

Die Stickerei wurde lange Zeit hindurch im Canton St. Gallen wie im Canton Appenzell nur von der Hand bestritten. Im Jahre 1845 bestand erst ein einziges Etablissement für Maschinen- Stickerei, das der Herren B. Rittmeyer & Comp, in St. Gallen und Brüggen. Seitdem hat sich die Maschinen-Stickerei ausserordentlich ausge­dehnt und sich bei uns weitaus zum bedeutend­sten Industrie-Zweig emporgeschwungen. Bei der statistischen Aufnahme im Jahre 1865 zählte man bereits in der Maschinen-Stickerei 66 Geschäfte mit 2210 Arbeitern und 417.930 Nadeln, während

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die Handstickerei damals freilich noch 47 Ge­schäfte mit 48 Angestellten und im Ganzen 4915 Arbeitern ohne die im benachbarten Canton Appenzell und im Ausland für hiesige Häuser Be­schäftigten zählte zur Zeit -der letzten Pariser Ausstellung 1867, stellte sich die in der Maschinen- Stickerei beschäftigte Arbeiterzahl auf 2340 und die in der Handstickerei auf 5150, darunter allein 3761 Stickerinen, also zusammen auf 7490 oder rund auf 7500. Ebenso viel Personen mögen sich damals auch mit der Stickerei im Canton App en . zell, besonders in Appenzell-Innerrhoden, beschäf­tigt haben.

Im Canton St. Gallen gab es damals 1402 Stick-Maschinen im Betriebe, in Ausserrhoden etwa 800 und in Innerrhoden, dem classischen Länd- chen der Feinstickereien, waren zu jener Zeit noch keine Stick-Maschinen vorhanden. In den letzten

fünf Jahren hat sich die Maschinen-Stickerei bei uns

in noch viel kolossalerem Massstabe ausgedehnt. Denn nach der vom kaufmännischen Directorium jüngst veranstalteten neuen statistischen Aufnahme beschäftigt jetzt die Maschinen-Stickerei im Can­ton St. Gallen 4484 Maschinen, 10.696 Arbeiter und Arbeiterinen in Stickerei, Fädlerei und Nach­stickerei, und überdies in Appenzell A. Rh. 1011 Maschinen, 2383 Arbeiter, in Appenzell I. Rh 131 Maschinen und 366 Arbeiter, und im Canton Thurgau 758 Maschinen mit 1712 Arbeitern, im Ganzen also in den drei genannten Cantonen 6384 Maschinen mit 15.256 Arbeitern Wenn man hiezu die in den übrigen Cantonen und in den über­rheinischen (deutschen und österreichischen) Ge­meinden vorkommenden Stick-Maschinen, sowie auch alle in den letzten Jahren in Betrieb gesetz­ten Kettenstich-Maschinen zählt, so dürfte aber die Gesammtzahl der in Maschinen-Stickerei in unserer Gegend in Thätigkeit gesetzten Stick-Ma­schinen gegen 10.000 und die darin beschäftigten Arbeiter gegen 30.000 betragen.

Was die übrigen Industrie-Zweige unseres Cantons betrifft, so sind sie gegen die vorigen nur untergeordneter Art. Die früher so bedeutende Lei mvand-Web er ei ist durch die Baumwollen- Industrie beinahe gänzlich verdrängt worden. Auch die mechanische Flachsspinnerei in Sitterthal (eine Stunde von St. Gallen), die einzige grössere Fabrik dieser Art in der Schweiz, die sich bei der letzten Pariser Ausstellung noch mit hübschen Leinen­garnen betheiligt hatte, ist inzwischen ebenfalls eingegangen, indem dieselbe in eine mechanische Stickerei umgewandelt worden ist. Die Hand­weberei zählte bei der letzten Aufnahme 856 Web- stiihle. Ebenso ist auch die Wolle - und Halb­wolle-Fabrikation bei uns nur unbedeutend und das Wenige, das auf etwa 30 Webstühlen fabricirt wird (z. B. im Bezirk Wardenberg und Rheinthal), dient bloss für den eigenen Bedarf.

(Schluss folgt.)

Bestimmungen für die Herausgabe des Special-Kataloges.

Nr. 79 des Special-Programmes der General-Direction.

I. Der Special-Katalog wird die Aussteller der im Reichsrathe vertretenen Königreiche und Länder , sowie die von ihnen exponirten Gegen­stände verzeichnen, mit Ausnahme der in Classe 22 Darstellung der Wirksamkeit für Museen Classe 23kirchliche Kunst, Classe 24Exposi­tion des amateurs, Classe 25bildende Kunst der Gegenwart ausgestellten Gegenstände, für welche Classen ein besonderer Katalog erschei­nen wird.

II. Der Special-Katalog erscheint in deutscher Sprache mit lateinischen Lettern.

III. In dem Special-Kataloge werden ausser der Firma und den ausgestellten Gegenständen auch solche Daten aufgenommen, welche dem Aus­steller wichtig erscheinen und auf seine Erzeug-