nichts wissen wollten, erschienen mir direkt als Feinde. Ich wollte aber bekehren und wollte „politisieren". Ich begann mit meinen Brudern und ihren Frauen in Gesellschaften zu gehen, die ich früher gemieden hatte. Man hatte mich stolz und hochmütig genannt und hatte mir auch Vorstellungen gemacht, nicht so ein Kloster- leben zu führen, sondern meine Jugend zu genießen, wenn ich manchmal mitging, kam ich mir wie ein Opferlamm vor. Jetzt ging ich gerne mit. Ich wollte Gelegenheit haben, über die Sozialdemokratie zu reden und war der Meinung, daß man mit Männern über Politik mehr reden könnte, als mit Frauen.
wie sehr ich die politische Reife der Männer überschätzt hatte, erfuhr ich nur zu bald. Ich wollte für den Wahlfond sammeln. Als ich der Gesellschaft das auseinandersetzte, meinte einer, ein Gewerbetreibender: „Für den Wahlfond? wer ist denn das? Ah, ich weiß schon, der verunglückte Wagenwascher." Und ich, das junge, politisch rechtlose Mädchen mußte den wahlberechtigten Männern erzählen, was der Wahlfond ist und warum man für ihn sammeln müsse. Man wunderte sich allgemein, wo ich meine „Gescheitheit" hergenommen und wer mich das alles gelehrt habe. Auch in der Fabrik sammelte ich. Zuerst nur unter meinen engeren Kolleginnen, der Kreis wurde aber immer größer.
Dazu kam die Propaganda für die Arbeitsruhe am t« Mai. Diese brachte mich in einen Zustand fieberhafter Aufregung; ich wollte dafür tätig sein und suchte nach Gesinnungsgenossen. Unter