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einzulassen, doch mußte ich ganz rückwärts in einer Ecke bleiben. Zum erstenmale hörte ich hier vom sozialdemokratischen Standpunkt über den Mili­tarismus reden. Und wieder fiel ein Teil meiner früheren Anschauungen in Trümmer. Bis dahin hatte ich den Militarismus als etwas Selbstverständliches und Unentbehrliches angesehen. Daß meine Brüder des Kaisers Rock" getragen, hatte mich mit Stolz erfüllt und der war mir nicht als rechter Mann erschienen, der diese patriotische Pflicht nicht erfüllt hatte. Wenn ich mir in meinen Nädchenträumen den Mann vor­stellte, der mein Gatte werden würde, dann gehörte auch die militärische Tauglichkeit zu den Eigenschaften, die er besitzen mußte. Und jetzt fiel auch dieses Ideal. Als Volksbelastung wurde der Militarismus geschil­dert und ich mußte dem beistimmen. Der Krieg, ein Menschenmorden, nicht zur Verteidigung der Landesgrenzen vor einem bösen wilden Feind, sondern im Interesse der Dynastien, diktiert von Ländergier oder eingefädelt durch diplomatische Intriguen.

Alles was ich hörte, kam mir so natürlich vor, daß ich mich nur wunderte, warum so wenige Menschen diese Dinge verstanden.

Mir war durch die Versammlungen eine neue Welt erschlossen worden und alles in mir drängte nach eigener Betätigung. Ich wollte mithelfen und mit­kämpfen und wußte doch nicht, wie ich das anfangen sollte. Unter all diesen Einflüssen war ich aber eine ganz andere geworden. Menschen, die von meinen politischen Idealen nichts verstanden oder die davon