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Meine kritischen Beobachtungen erstreckten sich auch auf andere Dinge. Wir gehörten jetzt einer Krankenkasse an und unser Vertreter im Vorstand war bisher immer vom Fabrikanten im Namen der Arbeiterschaft nominiert worden. Jetzt wußte ich, daß wir das Recht hatten, ihn zu wählen. Ich machte dieses Recht im Verein mit dem schon genann­ten Gesinnungsgenossen geltend. Es ereigneten sich große Streiks; taufende Familienvater mußten unter­stützt werden, um sie und ihre Frauen und Kinder vor dem Hunger zu bewahren. Die Organisationen hatten noch keine Fonds, da forderte die Arbeiterpresse zu Sammlungen auf und auch ich hielt es für meine Pflicht meine Kollegen und Kolleginnen um Beiträge zu ersuchen. Bei den meisten hatte ich Erfolg. Der Fabrikherr erfuhr aber von den Sammlungen. Eines Tages sprach er mich wieder an. Er forderte mich auf, ihm etwas von mir Geschriebenes zu bringen, er wolle mich meinen Fähigkeiten entsprechender ver­wenden. Es wurde mir Angst und Bange, wenn ich an meine unorthographische und häßliche Schrift dachte. Aber das, was ich schreiben wollte, machte ich mir weniger Sorgen. Ich las eben wieder Goethes Ge­dichte und schrieb eine Strophe ausProme­theu s ab, die mir außerordentlich gefiel. Es ist die Strophe:

Da ich ein Kind war,

Nicht wußte wo aus noch ein Kehrt ich mein verirrtes Auge^

Zur Sonne, als wenn drüber wär'