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kinder. Wie viele von ihnen suchen eine Schlafstelle in den Logirhäusern schlimmster Art, wo sie oft mit Per­sonen zusammengepfercht werden, die zum Auswurf der Menschheit gehören. Nicht viel bessere Gesellschaft finden sie in den Garküchen, wo sie mit hungriger Gier ihr arm­seliges Mahl verzehren. Auch hier müssen sie oft Zeugen der gemeinsten Reden, der rohesten Spässe sein. Wenn aber das tagsüber verdiente, erbettelte oder auch unrecht­mässig erworbene Geld zu solchem Luxus nicht reicht, dann dient ihnen- jeder Schlupfwinkel, in dem man sie ungestört liegen lässt, gleichviel ob ein kalter Stein, ein Brett, Stroh oder Lumpen ihr Lager bilden > sie schlafen den Schlaf der Jugend, und die Müdigkeit war gross, so gross, dass sie selbst den Hunger zur Ruhe brachte. Wie oft hat Dr. Barnardo, der wie kein anderer das Kinder­elend Londons erforscht und geschildert hat, sie liegen gesehen, schutzlos dem feuchten Nebel, dem Froste preis­gegeben, wie oft hat er die kleinen, verkümmerten Ge­stalten mit den stillen, bleichen Gesichtern, in welche Ge­wohnheit des Leidens, nie ganz gestillter Hunger, Angst und Schlauheit so unkindliche Linien gezogen, voll Mitleid und Herzweh betrachtet! Wie oft hat er sie in jenen elenden Logirhäusern aufgesucht, sie dort in verpesteter Luft, von ekelerregendem Schmutz umgeben, schlafend gefunden! Bei Dr. Barnardo aber ist das Mitgefühl auch immer Weg­bahner zur helfenden That. Im Mittelpunkt des verrufensten und ärmsten Theiles Ost-Londons errichtete er später noch zwei Chi'ldren-Free-Lodgino-jFfouses(Kmder-]$a.chiherbergen), die, freundlich und wohnlich eingerichtet, jederzeit schutz­losen Kindern unentgeltlich zugänglich sind und wo jedes derselben eine Tasse heissen Cacao und ein Stück Brod erhält, damit es nicht hungrig die müden Augen schliessen darf.

Für viele dieser jugendlichen Einkehrer ist es der erste Strahl'warmer Menschenliebe, der hier in ihr armes, dunkles Kinderleben fällt, vielen aber auch wird der Ein­tritt über diese Schwelle der Eingang zu einem glück­licheren Leben.

Dr. Barnardo dehnte die Frei-Logirhäuser auch auf junge Mädchen und Frauen aus, die kleine Kinder mit