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Dr. Barnardos Homes

(Rettungs- uud Wohlfahrts-Anstalten).

Das Gewissen unserer Zeit ist erwacht. Unser Auge beginnt sich zu schärfen für das geistige und physische Elend, in dem Millionen unserer Mitmenschen schmachten. Wir lernen es, nachsichtiger zu sein gegen die Sünde und das Verbrechen, das in der Finsternis gesäet und in der Wildnis bitterster Noth zur Reife kommt. Und selbst die milde Lehre, dass jedes Verbrechen eine auf Krank­heit beruhende geistige Verirrung sei, sucht vergebens das mahnende Schuldgefühl zu beschwichtigen, das uns an­klagt, mit dem Licht der Erkenntnis in unseren Händen nichts gethan zu haben, um die dunklen Stätten des Elendes und der Sünde zu erhellen.

Discite justitiam vioniti u immer ernster, immer mah­nender durchzieht dieser Ruf die Welt und rüttelt an den Thoren der satten Gleichgiltigkeit und des gedankenlosen Egoismus. Langsam, aber mit sicherer Klarheit ringt sich aus dem heissen Kampfe der socialen Gegensätze die Er­kenntnis empor, dass die eine Hälfte der Menschheit mit die Verantwortung zu tragen hat für das Wohl und Wehe der anderen, dass jedem Haben an geistigen und ma­teriellen Gütern ein Sollen gegenübersteht.

Und diese Erkenntnis ist es, die den Baustein legte zu all den zahlreichen Schöpfungen für die Wohlfahrt der besitzlosen Classen, die in den letzten Jahrzehnten in allen Culturländern geschaffen wurden, die dem Staate zum leitenden Motive wurde, die Schutzwehr seiner Hilfe, seiner Gesetze immer weiter auszuspannen. Aber all das Ge­leistete, wie wenig will es bedeuten gegenüber der grau­samen Macht der Verhältnisse!

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