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aber wenig oder gar keine werthvollen Maschinen gebrauchen. Für die Wiener Jndnstrieverhältnisse sind, soweit Frauen als Arbeiter in Betracht kommen, zwei Momente maßgebend: Die Wiener Industrie arbeitet vorwiegend Saisonartikel, und sie entbehrt nicht blos beim Kleinbetrieb und Mittelbetrieb, sondern auch häufig beim Großbetrieb einer eigens dazu erbauten Arbeitsstätte.

Der größte Theil der Großindustrie hat also Wien verlassen und nur die Saison-Industrie ist hier geblieben, ja sie hat sich hier erst in dem heutigen Umfange entwickelt. Ganz naturgemäß, denn eine Industrie, die in jedem Momente genöthigt sein kann, ihre Arbeiterzahl zu ändern, muß sich an einem Orte ansiedeln, wo sie beständig, wie aus einem großen Becken Arbeiter entnehmen kann, um sie bei nächster Gelegenheit wieder zurückzugeben, ohne fürchten zu müssen, daß ihr diese Arbeiter durch Hungertod oder Wegzug für die nächste Saison verloren gehen. Beides ist in Wien nicht zu befürchten. Die todte Saison findet zwar in jedem Gewerbe eine Anzahl unbeschäftigter Arbeitskräfte, aber diese helfen sich über diese Zeit schlecht und recht hinweg, indem ihnen theils ihre Familienmitglieder, die in anderen Gewerben beschäftigt sind, eine Stütze bieten, theils das bewegte Leben der Großstadt ab und zu immer wieder eine Arbeitsgelegenheit gibt. Der Sitzgeselle, der für einen Confectionär arbeitet, arbeitet in der stillen Zeit für den einen oder den anderen minder zahlungsfähigen Kunden, und selbst dem Saison­arbeiter trab'6X0ollsn, dem Bau- und Erdarbeiter, gibt ein reichlicher Schneefall in den Wintermonaten Arbeit. Für viele weibliche Arbeiter muß auch manche unerfreuliche Erwerbsgelegenheit Ersatz bieten.

Entsprechend ihrem Charakter als einer von der Saison stark beeinflußten Industrie, vermag die Wiener Industrie von Fall zu Fall ihre Arbeitsleistung bedeutend zu vergrößern. Neben die Ueberstnnden in der Werkstätte tritt die Arbeit in der Wohnung der Arbeiter. So nehmen die meisten Arbeiterinnen in der Saison noch Arbeit nach Hause und arbeiten in ihrer Wohnung noch mehrere Stunden. Dazu tritt die eigentliche Heimarbeit, die von Frauen als Nebenbeschäftigung neben den häuslichen Beschäftigungen betrieben wird. Indem sie zu Zeiten des stillen Geschäftsganges oft ganz aufhört und sich in der Saison durch Einschränkung der sonstigen häuslichen Arbeiten und die Mithilfe von Familienmitgliedern ausdehnen läßt, stellt sie die zweite Reserve der Industrie für die Campagne dar.

Durchaus verwandt ist die Organisation der sogenannten Zwischen- meister. Das Capital bedient sich ihrer, um die eigene Werkstücke zu ersparen und der Nothwendigkeit, mit den Arbeitern direct verkehren zu müssen, enthoben zu sein. Trotzdem würde man dieser Organisation nicht völlig gerecht werden, wenn man sich nicht gegenwärtig hielte, daß auch sie geschaffen ist, dem wechselnden Bedarfe nach Arbeit abzuhelfen. Die Betriebe der Zwischenmeister sind die Cadres, in die nach Bedarf vom Standpunkte des Unternehmers automatisch mehr oder weniger Arbeitsstunden eingereiht werden können.

Daß die Saisonarbeit für den Arbeiter vom größten Nachtheile ist, braucht nicht besonders hervorgehoben zu werden. Die Über­anstrengung der Saison wird durch die Ruhe in anderen Monaten für den Organismus nicht wettgemacht, und der größere Verdienst zur