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Meisters, in Wirklichkeit ist er aber nicht mehr als ein Glied in dem großen Organismus eines kapitalistischen Betriebes geworden. Und dies nicht blos insofern, als ihm der Rohstoff von Seite des Capitalien geliefert wird und sein Einkommen zu einem reinen Lohneinkommen herabsinkt, sondern auch dadurch, daß ihm technisch blos Theilarbeiten zugewiesen werden. Welche Bedeutung hat nun unter solchen Umständen das Lehrlingswesen erlangt? Ist es nicht der reine Widersinn, wenn ein förmlich ausgedungenes Lehrmädchen während der ganzen Lehrzeit, soweit sie nicht zu Dienstleistungen im Haushalte des Meisters oder zu Geschäftsgängen verwendet wird, nichts Anderes als eine Theiloperation lernt, so daß sie als gelernte Schneiderin sich das Schnittzeichnen erst in einer privaten Schule aneignen muß? So sehen wir denn die Gewerbeordnung und die Verfügungen der Genossenschaft aus Schritt und Tritt durchbrochen und umgangen. Hier der Zwischenmeister, der seinen Betrieb nicht anmeldet, hier eine im Verhältnisse zur Zahl der Gehilfinnen übergroße Zahl von Lehrmädchen. Neben den förmlich ausgehungerten Lehrmädchen erscheint eine ebenso große Zahl von nicht ausgedungenen, und an einem und demselben Tische verrichten die ge­lernte und die Hilfsarbeitern: ein und dieselbe Arbeit. Ja, in einzelnen Betrieben fehlt die gelernte Arbeiterin vollständig, sie wird durch Dienst­mädchen ersetzt, die aus Böhmen oder anderen Gegenden mit niederen Löhnen importirt werden.

Wenn man nun nach den Ergebnissen der Enquete fragt, so hat uns diese ein lebendiges Bild von dem Leben des Weibes im Volke, ja überhaupt von dem Leben der unteren Volksschichten gegeben. Sie hat uns gezeigt, daß ein großer Theil unserer Mitmenschen ein Leben führt, das als menschenwürdiges nicht mehr bezeichnet werden kann. JnwiewerTund' wodurch sich dies beseitigen läßt, ist eine Frage, die vorn Standpunkte der einzelnen socialpolitischen Parteien verschieden beantwortet werden wird. Aber darüber kann kein Zweifel bestehen, daß eine ganze Reihe kleinerer Uebelstände beseitigt werden kann, sobald nur einmal der redliche Wille, sie zu beseitigen, vorhanden ist. Es ist nicht nothwendig, daß-eiue Arbeiterin,, die. mit Blei hantirt, mit federn Stück Brod ein Stückchen Blei mitessen muß, weil kerne Waschvorrrchtung vorhanden Ist, die die Arbeiterin vor der Mahlzeit benützen könnte. Es ist nicht nothwendig, daß einzelne Werkstätten jahrelang nicht gereinigt werden, es ist nicht nothwendig, daß in der Cartonnagebranche die Fle ckerln g eschleckt" werden, daß in der Passementerie die Lehrmädchen zum Drehen ernes Rades benutzt werden (S. 185), und daß bei den Dach­deckern" und Maürern den Frauen zugemuthet wird, sich auf Strecken von Kilometern vor einen schwer beladenen Handwagen zu spannen. Dies Alles läßt sich auch auf dem Boden der heutigen Gesellschaftsordnung ohne besondere Schwierigkeit beseitigen, gerade so wie sich die ent­setzliche Wohnurrgsmisere beseitigen läßt, unter der die Arbeiter in den Ziegeleien gelitten haben und noch leiden. Auch für die übrige Arbeiter­schaft ist eine Reform, durch welche ihr gesunde und relativ billige Wohnungen zugeführt werden, nicht blos erwünscht, sondern auch möglich; das Gleiche gilt von der Arbeitsvermittlung, deren Regelung einem außerordentlich dringenden Bedürfnisse nachkäme. Auch eine Vermehrung der Gewerbe-Jnspectoren wird anzustreben sein, umsomehr als in ein-