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als die Anderen, weil sie dort die Erste, sozusagen die Werkführerin war; deshalb ist sie auch immer verhältnißmäßig besser behandelt worden. Die Leute müssen dort monatelang, oft ein halbes Jahr Ueberstunden machen; der Herr könnte ganz gut neue Leute aufnehmen, aber er thut es nicht.

Expertin Nr. 4: Ich kann speciell über die Strafen in diesem Betrieb Auskunft geben. Wir haben einen Werksührer gehabt, welcher, wenn Jemand zum Beispiel ein Stückchen Brot in der Lade hatte, dasselbe wegnahm, es au die Lehrjungen vertheilte und uns außerdem Strafe zahlen ließ. Jeder Arbeiter hat eine Tafel mit einer Nummer bekommen, welche jeden Tag zu Mittag und in der Früh aufgehängt wurde. Wenn man diese Tafel vergessen hat, so hat man jedesmal eine Strafe von 10 oder 20 kr. zahlen müssen. Die Tafel diente dazu, eine Controle abzugeben; wenn man zu spät gekommen ist, mußte man sie im Comptoir abgeben. Es war sogar eine Zeit, wo die Leute die Frechheit hatten, die Arbeiter, wie in der Schule, eine Viertel­oder eine halbe Stunde zurückzuhalten, wofür sie natürlich nichts bezahlt bekamen. Es gibt Arbeiter, die eine gaizze Stunde weit wohnen; bei diesen ist das Zuspätkommen gewiß leicht erklärlich.

Exp. Nr. 3: Ich kann bestätigen, daß bei . . . ein halbes Jahr lang jeden Tag eine Ueberstunde gemacht wurde. Oft ist das gar nicht nothwendig. Um halb 7 Uhr kommt eine Arbeit, und wir müssen da bleiben und sie fertig machen. Oft ist es eine dringende Arbeit, wir müssen sie rasch am Abend fertig machen, und am nächsten Tag liegt sie stundenlang dort und wird nicht abgeliefert. Anderseits gibt es auch Zeiten, wo keine volle Beschäftigung vorhanden ist. Die Mädchen sitzen halbe Tage lang und stricken. Das ist gewöhnlich im Sommer. Pansen sind folgende: Um o Uhr Viertelstunde, zu Mittag eine Stunde und um 4 Uhr eine Viertelstunde, aber diese beiden Viertelstunden müsset: am Abende eingebracht werden, so daß wir volle zehn Stunden Arbeitszeit haben. Seit die Sonntagsruhe ein­geführt worden ist, müssen wir auch hie und da Sonntag arbeiten. Wir verrichten an: Sonntag die gewöhnliche Arbeit. Es kommt auch vor, daß wir Sonntag Nachmittags arbeiten. Die Kündigungsfrist betrügt 14 Tage.

Dr. Schwiedland: Was ist es mit der stillen Zeit? Expertin Nr. 3: Die Arbeiterin muß immer zehn Stunden dort sitzen, wenn auch keine Arbeit ist; sie kann Strümpfe stricken, verdient aber nur sl. 2.

Veith: Diese Methode ist nur bei .. . vorhanden, sonst werden die Arbeiterinnen um 2, 3 oder 4 Uhr fortgeschickt, wenn nichts zu thun ist. Exp. Nr. 3 (über Befragen des Vorsitzenden^: Es wird nicht in: Locale ge­gessen. Es kommt kein Geschenk an den Werkführer vor. Die Ernährung der Arbeiterinnen, die sl. 2 oder 3 verdienen, besteht hauptsächlich iitz dem Kaffee, den sie sich vom Hanse mitnehmen, irgendwo erwärmen, und dieser dient für Frühstück, Mittag und Jause. Außerdem rönnen sie sich nur etwa eine Suppe oder dergl. kaufen. In besseren Zeiten kann man sich um 5 kr. eine Zuspeise oder Würstel kaufen. Ein Glas Bier dürste selten vorkommet:. Sehr viele Mädchen haben keine Angehörigen hier und müssen für das Bett sl. 1 pro Woche zahlen. Dann bleiben ihr nur mehr sl. 2 für Essen und Kleidung übrig. Es kommt deshalb sehr oft vor, daß sie nicht anständig gekleidet in das Geschäft gehen können.

Dr. v. F ü rth: Haben sie die nöthige Zeit, um zu Mittag nach Hause gehen zu können? Exp. Nr. 3: Nur wenn sie in der Nähe wohnen.

Vorsitzender: Welches sind die Lokalitäten bei ... ? Expertin Nr. 3: Es sind Lokalitäten im Mezzanin, ersten Stock und zweiten Ltock; drei große Säle. Es sind viele Fenster drinnen, die in den Garten gehen; sie dürfen aber nicht aufgemacht werden, da sonst der Werkführer kommt und sie gleich schließt. Daran sind übrigens die Arbeiterinnen selbst schuld, da es immer geheißen hat, es zieht. Es wurde in einem großen Saale mit zehn Fenstern höchstens ein ganz kleines Luckerl ausgemacht. Eine Ventilation