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Exp. Nr. 5 (über Befragen des Vorsitzenden): In Bezug auf die Arbeitsvermittlung sind wir am schlechtesten daran. Wir müssen unsere Arbeit von Markt zu Markt tragen und haben keine Arbeitsvermittlung. Wir gehören auch nicht der Organisation an. Es ist zwar eine genossenschaftliche Arbeitsvermittlung da, aber die kümmert sich um die Arbeiterinnen nicht, und durch die Arbeitsvermittlung der Vereine bekommen wir keinen Platz, weil sich die Meister an diese nicht wenden. Die jungen Mädchen müssen von Thür zu Thür gehen, und es entscheidet der Zufall, wann sie Arbeit bekommen. In Bezug auf den Lohn ist Folgendes zu sagen: In meinem jetzigen Geschäfte ist ein Mädchen mit fl. 3 Lohn eingetreten. Wie der Herr gesehen hat, daß sie sich leicht abrichten läßt, hat er sie gleich zur Hefterei gestellt, und als sie dies leicht erlernte, so hat er gesagt : „Um fl. 3 kann ich ein Lehrmädchen nicht brauchen," hat ihr nur fl. 2 gegeben und hinzugefügt: „Bis Sie ausgelernt sind, bekommen Sie um 50 kr. mehr." Wir brauchen allerdings nur vier Wochen, um die Arbeit, welche die Frauen machen, zu erlernen, aber man muß auch den Lohn berücksichtigen. Den Lohn, den der Herr uns während der vier Wochen zahlt, verdienen wir eigentlich schon in der ersten Woche. Es gibt Wochenlohn, Stücklohn, leider auch Stundenlohn.
Dr. Schwiedland: Die Lehrmädchen bekommen also gleichsam nur ein Trinkgeld ? — Exp. Nr. 5: Nein, Trinkgeld ist das nicht, es ist nur ein geringerer Lohn. (Ueber Befragen des Vorsitzenden.) Wir haben keine Arbeit zu Hause. Für Ueberstunden bekommen wir 2 kr. vom Lohngulden. Der geringste Lohn beträgt fl. 2, der höchste sl. 7'50. Diesen Lohn von fl. 7'50 hekomme ich, weil ich Partieführerin bin und sieben Mädchen unter mir habe, die fl. 4, ausnahmsweise fl. 5 haben. Der Lohn der
Männer ist höher, der Unterschied beträgt circa fl. 1'50 gegenüber meinem Lohn, also durchschnittlich fl. 8'50 bis sl. 9. Strafen haben wir wenig, aber Abzüge. Wenn ein Arbeiter das Papier um einen halben Centimeter zu klein schneidet, so kann er es sich nach Hause nehmen und muß nicht etwa den Kostenpreis, sondern den Kundenpreis zahlen. Ebenso geht es, wenn ein Buch z. B. auf 44 beschnitten werden soll und es wird aus 43 beschnitten. Da muß die Arbeiterin das ganze Buch zahlen. Es kommt vor, daß ein solches Geschäftsbuch fl. 8 kostet; da werden jede Woche fl. 2 abgezogen.
Wittelshöfer: Worin besteht die Funktion einer Partieführerin? — Exp. Nr. 5: Es wird mir vom Herrn die Arbeit übergeben, und ich vertheile sie unter die verschiedenen Mädchen, damit die Arbeit Hand in Hand geht. Es muß eine Person da sein, welche die Arbeit vertheilt;
dafür bekomme ich größeren Lohn.
Dr. Frey: Wie viel verdienen sich die Mädchen dort, wo Stücklohn ist? — Exp. Nr. 5 : Durchschnittlich fl. 6 bis 7.
Dr. Frey: Wie ist es mit dem Stundenlohn? — Exp. Nr. 5: Man bekommt bei uns am Samstag den Zettel, und darauf steht: 50 oder 00 Stunden gearbeitet. Wenn man aus eine Stunde fortgeht, so wird Einem nicht der auf eine Stunde entfallende Lohn abgezogen, sondern mehr. Ich bekomme also pro Stunde 18 kr., mir werden aber 20 kr. abgezogen.
Dr. Osner: Gibt es außer den von Ihnen erwähnten Fällen noch andere Abzüge? — Exp. Nr. 5: Ja, für das Zuspätkommen; aber die Abzüge sind nicht empfindlicher als die Rohheiten, denen eine Frau ausgesetzt ist, oder die sanitären Uebelstände, indem die Arbeiter und
Arbeiterinnen aus einen gemeinsamen sanitätswidrigen Abort gehen müssen.
Vorsitzender: Gibt es eine Zeit der Arbeitslosigkeit? — Exp. Nr. 5: Im Sommer wird gewöhnlich immer drei Monate ausgesetzt. Wir waren nicht so glücklich, wie die frühere Expertin, daß wir im Geschäfte warten konnten bis eine Arbeit kommt, sondern wir mußten nach Hause gehen. Während dieser Zeit muß sich eiue Arbeiterin einer anderen