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Die Ursache, warum ältere Arbeiterinnen selten vorkommen, ist die, daß ältere Arbeiterinnen in unserer Branche keine Allsnahme finden, und wenn sie ein gewisses Alter überschritten haben, einfach entlassen werden

Arbeitsvermittlung ist bei uns gar nicht vorhanden. Die genossen­schaftliche Vermittlung wurde von unserer Seite stets um eine Verbesserung der Zustände angegangen. Die Arbeiter haben mit der Genoffenschasts- vorstehung, mit dem Stadtrath Schlechter, Verhandlungen gepflogen; er hat uns versprochen, eine bessere Arbeitsvermittlung zu gründen, aber trotzdem ist es nicht besser geworden, man hat uns einfach zum Narren gehabt. Die Arbeitsvermittlung durch die Genossenschaft ist nichts werth. Alle die Vor­gemerkten gehen gleichzeitig zu dem betreffenden Herrn hin, und wer den größten Hunger hat, bekoimnt die Stelle. Die Arbeiterinnen haben es noch schlechter.

Auch sonstige Uebelstände sind hervorzuheben. Wenn Einer unwohl ist und einen halben Tag ausbleibt, ohne sich im Vorhinein zu entschuldigen, so wird ihm bedeutet: Diese Woche dürfen Sie nicht mehr arbeiten.

Wir haben es uns erst vor drei Wochen erkämpft, daß wir in einer Abtheilung, wo 30 bis 40 Personen sich befinden, ein Handtuch bekommen. Früher mußte man sich in Papier oder dergleichen die Hände abwischen oder sich erst zu Hanse waschen.

Ueberstnnden werden meist so bezahlt, wie es dem Lohn entspricht.

Die Kündigungsfrist wird nur von den besser situirten Unternehmern, nicht aber von den kleineren eingehalten. Wenn man sich dann beim Herrn beschwert, so sagt er, er anerkenne das Schiedsgericht nicht. Beim Bezirks­gericht kann ein Arbeiter aber nicht klagen, weil er keine Zeit und kein Geld hat. Er ist direct der Willkür des Herrn ausgesetzt, und dieser kann ihn hinausschmeißen, wann er will.

Bezüglich der Abzüge muß ich sagen, daß die Löhne so klein sind, daß man kaum glauben sollte, daß sich noch etwas davon abziehen läßt. Es gibt Arbeiter, die nicht mehr als fl. 0 bekommen.

Das Durchschnittsalter der in Verwendung stehenden Arbeiter ist größer als das der Frauen. Das der Frauen beträgt nämlich 23, das der Männer 29 Jahre.

Bardorf: Ich bin zufälligerweise über die Arbeitsvermittlung in dieser Branche etwas insormirt und kann den Herren Folgendes bekannt­geben : Die Genossenschaft ist an den Verein für Arbeitsvermittlung mit der Frage herangetreten, ob wir gewillt wären, die Arbeitsvermittlung für die ganze Branche zu übernehmen. Wir sagten ja, machten aber den Vorstand darauf aufmerksam, daß nach einem Paragraph unserer Statuten der Verein bei einer Arbeitseinstellung nicht intervenirt. Ich glaube bestimmt annehmen zu können, daß dies der Grund war, warum die Arbeitsvermittlung, die doch natürlich im Interesse der Arbeitgeber wie der Arbeitnehmer gewesen wäre, uns nicht übertragen wurde. Ich mache darauf aufmerksam, daß ein aller­dings nur geringer Theil der Arbeitsvermittlung dieser Branche von unserem Vereine besorgt wird, indem jährlich etwa 80 Cartonagearbeiterinnen und 40 bis Buchbinderarbeiter durch uns placirt werden.

Professor v. Phili PP vvich übernimmt den Vorsitz.

Exp. Nr. 9 (über Befragen des Vorsitzenden): Ich bin in einem mittleren Betriebe, in einer ... (uiederösterreichischen Landstadt). Es sind darin 70 Personen, etwa 50 Männer und 25 Mädchen beschäftigt. Die Mädchen müssen hauptsächlich Register ausschneiden, aber auch sonstige Arbeiten und das Thekenmachen besorgen. Wir sabriciren Geschäftsbücher, Notizbücher, Poesiebücher" rc. Die Saison beginnt etwa in diesem Monat und dauert mehrere Monate. Es werden da keine Ueberstnnden gemacht, sondern: mehr Arbeiter ausgenommen. Die Arbeitszeit beträgt 10 Stunden. Die Arbeiter recrutiren sich meistens aus Arbeiterkreisen, selten aus der bäuerlichen Be-