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Vorsitzender: Bekommt man nicht etwas zum Anfeuchten? — Exp. ^ : Wenn's der Herr nicht sieht, so verwenden wir einen nassen Fetzen dazu. Wenn aber der Herr kommt, muß man ihn schnell wegwerfen und. wieder schlecken.
Vorsitzender: Haben sich viele Arbeiterinnen der Organisation angeschlossen? — Exp. Nr. 1l: Sehr wenig.
Vorsitzender: Sie haben eine gemeinsame Organisation mit den Arbeitern? — Exp. Nr. l 1: Ja, den Fachverein.
Exp. Nr 12 (über Befragen des Vorsitzenden): Ich bin jetzt in einem kleinen Betriebe beschäftigt, wo sechs Mädchen und ein Zuschneider arbeiten. Vorher war ich bei der Firma, wo die Frau Exp. Nr. 11 ist. Unsere Saison ist gewöhnlich zn Ostern. Ueber den Sommer geht es sehr schlecht.
Vorsitzender: Werden dann die Arbeiterinnen entlassen? — Exp. Nr. 1?: Was man weniger arbeitet, wird abgezogen.
Vorsitzender: Muß man längere Zeit aussetzen? — Exp. Nr. 12 : Nein. Es wird nur die Zeit abgerechnet, wo man nicht arbeitet. Wir erzeugen Cartons für Cravatten, Hemden und Krägen. Hausarbeit haben wir keine. Die Beschäftigten sind zumeist Kinder von Arbeitern. Früher habe ich in Ottakring gearbeitet, dort geht es sehr übel zu. Anfangs waren wir nach der Woche gezahlt, und da ist man sehr streng gewesen. Wenn Eine ein paar Minuten zu spät gekommen ist, hat es geheißen: „Wenn Sie mir noch einmal zu spät kommen, schmeiße ich Sie hinaus." Da sind 20 kr. oder 30 kr. abgezogen worden, je nachdem es der Frau oder dem Herrn beliebt hat.
Vorsitzender: Ist dort der Wechsel ein sehr starker? — Exp. Nr. 12: Ja. Die Arbeiterinnen haben das nicht ausgehalten. Der Herr ist sehr rabiat, er „schmeißt" eine Arbeiterin gleich „die Stiege hinunter", wenn sie ein Wort redet.
Vorsitzender: Wie wird dort der Verdienst berechnet? — Exp. Nr. 12: Jetzt nach Stück. Anfangs nach der Woche.
Vorsitzender: Was für ein Verdienst ist gewöhnlich beim Eintritt? — Exp. Nr. 12: Wenn man als Lehrmädchen kommt, bekommt man die erste Woche 50 kr., später je nachdem 10 kr. oder 20 kr. Zulage. In fünf bis sechs Wochen erhält man fl. 1, dann kommen alle zwei, drei, vier Wochen Zulagen. Der höchste Lohn ist fl. 5 bis 5 50. Da muß aber Eine sechs bis sieben Jahre eine tüchtige Arbeiterin sein.
Vorsitzender: Sind viele Arbeiterinnen so lange Zeit dort? — Exp. Nr. 12: Ich habe nur vier Jahre das Glück gehabt; ich habe oft fort wollen, weil es so zugeht. Zwei Jahre war ich nach der Woche und zwei Jahre im Accord. Nach der Woche habe ich fl. 5 bekommen. Bevor ich ausgetreten bin, war ich im Accord; es war sehr wenig zn thun, und ich bin manchmal mit fl. 2 bis 3 fortgegangen.
Vorsitzender: Hat nicht die Art der Entlohnung gewechselt, so daß in guten Zeiten Wochenlohn war? — Exp. Nr. 12: Nein.
Vorsitzender: Sind Ueberstunden gemacht worden? — Expertin Nr.. 12: Wenn viel Arbeit war, Habs geheißen: „Mädchen, heute müßt Ihr bis 9, 10 Uhr da bleiben." Wenn's sein muß, muß man bis 12 Uhr arbeiten. Das ist, so lange ich dort war, sehr oft vorgekommen. In der Saison habe ich manchmal bis 12 Uhr arbeiten müssen, am anderen Tag wieder. Wenn man gekommen ist, hat's geheißen — das muß ein Interesse vom Herrn gewesen sein —: „Heut' müßt Ihr warten, thut's derweil stricken!" Da haben wir uns drei-, viermal in der Woche hinsetzen und von Früh bis 11, 12 Uhr Mittag stricken können.
Vorsitzender: Glauben Sie, daß da plötzliche Bestellungen waren oder nur eine Laune? — Exp. Nr. 12: Nur Launen. Er hat sich eingebildet, das muß fertig werden, anders geht's nicht. Da müssen die Arbeite-
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